德语助手
2024-09-09
Wir hatten doch damals alle diesen einen Mitschüler in der Klasse, der bis zur weiterführenden Schule nicht kapiert hat, dass man die Lehrer siezt.
Außer vielleicht du warst auf einer Waldorfschule.
Dann kommt dir das vielleicht bis heute komisch vor.
Oh, euer Hoheit wissen wir wieder alles besser was.
Er hat die Weisheit wohl mit Löffeln gefressen.
Ihr hütet wohl besser eure Zunge, ehe ich euch...
Äh, Entschuldigung, wer sind Sie?
Ach, niemand.
Nur die Pointe deines unlustigen Intros.
Alles klar.
Und nach diesem etwas wilden Intro klären wir im heutigen Video die Frage, warum Siezen wir eigentlich?
Und damit willkommen zurück bei der Germanistiker, dem YouTube-Kanal, auf dem sich alles rund um die deutsche Sprache dreht.
Am Anfang war das "Du".
Das klingt jetzt erstmal wesentlich dramatischer, als es eigentlich ist.
Grundsätzlich ist die zweite Person Singular oder Plural bei Verben dazu da, um eine andere Person oder Gruppe direkt anzusprechen.
Sie ist also erst einmal die naheliegende Anredeform.
Auch im Deutschen existierte bis ins Frühmittelalter nur die Du-Form.
So sprechen sich beispielsweise Hildebrandt und Haddubrandt im Althochdeutschen Hildebrandts Lied mit Du an.
Und das, obwohl sie sich noch gar nicht kennen.
"Oder aus welchem Volke du bist"
Gut, vielleicht haben sie auch geahnt, dass sich hier in Wahrheit Vater und Sohn gegenüberstehen, aber ich will jetzt auch nicht das Hildebrandt-Lied spoilern.
Zur gleichen Zeit, nämlich im 9. Jahrhundert, wird allerdings auch schon eine weitere, sehr viel höflichere Form der Anrede überliefert.
So spricht der Gelehrte Ottfried von Weißenburg.
In einem von ihm verfassten Brief einen Bischof mit "Ihr".
Dieser sogenannte "Pluralis Reverentiae", "Referentiae" bedeutet wörtlich übersetzt "Ehrfurcht", findet sich bereits im Spätlateinischen und taucht in allen möglichen Sprachen auf.
Von der Du-Anrede in zweiter Person Singular aus entwickelt sich also eine zweite, ehrfürchtige Anredeform in zweiter Person Plural.
Dieses Zweiersystem, mit dem "Du" als informelle Anrede und dem "Ihr" als Anredeform gegenüber hierarchisch höher stehenden Personen wie Adeligen dominiert dann das ganze Mittelalter hindurch den deutschsprachigen Raum.
Am Ende des 16. Jahrhunderts dann fordert der Absolutismus ein völlig neues Level an Unterwürfigkeit und steigert mit einer Verlagerung der Anrede auf die dritte Person singular die Distanz zwischen Sprecher und Angesprochenen noch einmal erheblich.
Heute klingen Sätze wie, "hat sie gut geschlafen, die gnädige Dame", eher ironisch.
Aber damals war das die höchstmögliche Form der Ehrerbietung.
Ende des 17. Jahrhunderts taucht dann zum ersten Mal unser heutiges "Sie" auf.
Dieses entsteht durch die Verschiebung des absolutistischen "er" und "sie", also der dritten Person Singular, hin zur dritten Person Plural.
Caesar altert nicht. Er reift.
Es entsteht also quasi ein moderner, "Pluraltis Majestatis", wie man ihn schon aus dem Lateinischen kennt.
Falls du dir jetzt denkst, “What the fuck, alter, das ergibt doch alles überhaupt keinen Sinn, warum spreche ich eine Einzelperson auf einmal so an wie eine Gruppe, an die ich mich noch nicht mal direkt richte", dann kann ich dich trösten.
Selbst Jakob Grimm, der neben seiner Tätigkeit als Herausgeber der berühmten Hausmärchen auch noch sowas wie der erste Germanist war, fand diese Entwicklung total unlogisch.
Aber so ist das eben mit der Sprache.
Sie macht einfach ihr eigenes Ding.
Übrigens wie der YouTube-Algorithmus auch.
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Ich danke euch vielmals.
Machen irgendwelche Höflichkeitsformen die Anrede am Ende also nur unnötig kompliziert?
Nicht unbedingt.
Verschiedene Anreden können immerhin ganz unmittelbar verschiedene Eindrücke erwecken.
Und implizit das Verhältnis zwischen zwei Menschen ausdrückt.
Ein "Du" stellt Nähe her, ein "Sie" steht für Distanz.
Je nachdem, in welcher Situation man was verwendet, kann man gesellschaftliche Regeln und Normen einhalten oder bewusst auch brechen.
Als Han Krimhild am Ende des Nibelungen-Lieds vorwirft, "Jetzt hast du endlich, was du wolltest!"
Natürlich sagt er das auf wunderschöne Mittelhochdeutsch, aber das erspare ich euch hier mal.
Verletzt er damit ganz bewusst die Etikette.
Im gesamten Text zuvor hatte er die Schwester seines Königs mit "Ihr" angesprochen, so wie es sich gezielt.
Dass er ausgerechnet am Ende des Liedes von ihrer List überwältigt diesen Stilbruch wagt, kann als ganz bewusste Respektlosigkeit gewertet werden.
Auch stellt sich bei der Anrede immer die Frage, wer mit wem spricht.
In der Regel funktionieren Höflichkeitsformen von unten nach oben.
So Siezen Schüler ihre Lehrer, während sie von diesen geduzt werden.
Und auch unter Kollegen neigt man schneller mal zum "Du", als wenn man zum Beispiel mit dem Chef spricht.
Übrigens wurde auch in der Familie bis ins 18. Jahrhundert hinein gesiezt.
Da konnte es schon mal als Respektlosigkeit durchgehen, wenn man den Herrn Vater mit "Du" anspricht.
Sag du zu mir!
Verrückt, oder?
Tatsächlich verfügen die meisten indoeuropäischen Sprachen heute über ein ähnlich zweigleisiges System wie das deutsche.
So besitzt zum Beispiel das niederländische mit "Je", "Jij" und "u" eine Entsprechung zu unserem "Du" und "Sie".
Diese ist jedoch eher fließend.
Hier wird das "Du" nicht wie im Deutschen angeboten, sondern richtet sich je nach dem Kontext.
Das Schwedische hingegen bevorzugt das "Du" und die eigentliche Höflichkeitsform kommt kaum noch vor.
Ähnlich ist das auch im Norwegischen und Dänischen, wo das Siezen mit "De" nur noch älteren Menschen vorbehalten bleibt und dann auch schnell mal als impliziter Vorwurf zum vorzeitigen Vergreisen gedeutet werden kann.
Das Islandische schließlich kennt nur noch ein einfaches " þú" in Kombination mit dem Vornamen.
Nähe und Distanz werden hier über Kurzformen und Kosenamen hergestellt.
Und dann gibt es da noch das Englische, das als einzige Sprache im indoeuropäischen Sprachraum von einem Zweiersystem auf eine einzige Anredeform reduziert hat.
Dort gab es noch bis ins Mittelalter ein Nebeneinander von "you" und der heute nur noch aus Shakespeare-Dramen bekannten Form "thou".
Dabei bedeutete "you" jedoch nicht "du", sondern "Ihr" und "thou" war die zweite Person Singular.
Na, schon verwirrt?
Keine Sorge, es wird noch verwirrender.
In der frühen Neuzeit schließlich kam das "thou" aus der Mode.
Warum genau, ist schwer zu erklären.
An seine Stelle trat dann das "you", das fortan "du" und "Ihr" bedeutete und in der Großschreibung sogar unser höfliches "Sie" abbildet.
Ob das jetzt unbedingt so viel einfacher ist, bleibt zweifelhaft.
Wie hältst du es eigentlich mit dem "Du"?
Bestehst du darauf gesiezt zu werden, in diesem Fall, upsie, oder ist dir das eigentlich egal?
Ich persönlich bevorzuge ja das "Du", aber das hängt vermutlich auch sehr stark vom Charakter, Umfeld und dem Kontext ab.
Wenn du öfter mal in solche Fettnäpfchen wie du und sie tappst, dann empfehle ich dir dieses Video hier.
Dort gebe ich dir sechs einfache Tipps, mit denen du sofort dein Sprachniveau verbesserst.
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Jeden Sonntag um 11 Uhr kommt ein neues Video.
Ansonsten hoffe ich, wir sehen uns im nächsten Video wieder.
Bis dahin, Servus, Ciao und auf Wiedersehen.
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