德语助手
2017-02-19
Jeder fünfte Deutsche hat inzwischen ausländische Wurzeln – mit Auswirkungen auf die deutsche Sprache.
Unter Jugendlichen hat sich eine eigene Alltagssprache entwickelt: Kiezdeutsch.
Forscher sprechen von „Ethnolekt".
Manche Linguisten glauben, dass sich die Grammatik in den kommenden Jahrzehnten radikal vereinfachen und am Ende der des Englischen gleichen könnte.
Auch wenn diese These umstritten ist: Einig sind sich die Forscher darin, dass besonders in den deutschen Großstädten in den vergangenen Jahren eine neue Sprache unter Jugendlichen mit ausländischen Wurzeln entstanden ist, „Kiezdeutsch", also Deutsch, das im Kiez, im Wohnviertel, gesprochen wird.
Wissenschaftler bezeichnen es als „Ethnolekt", genauer als „Multi-Ethnolekt", erklärt Heike Wiese, Linguistin an der Universität Potsdam: „Das sind Varietäten, die sich unter Sprechern unterschiedlicher Herkunft entwickeln – also gerade im gemeinsamen Alltag Jugendlicher deutscher, türkischer, arabischer, kurdischer Herkunft.
Insgesamt zeichnet diesen Multi-Ethnolekt eher aus, dass das ein Dialekt ist, der sich besonders schnell und systematisch im Deutschen entwickelt, weil wir viele mehrsprachige Sprecher haben.
Da kommen ganz andere sprachliche Kompetenzen ins Spiel." Der Multi-Ethnolekt ist also ein Dialekt, der sich unter Jugendlichen vor allem des türkischen und nahöstlichen Raumes herausgebildet hat.
Und dieser variiert, verändert sich.
Zwei Beispiele: „‚Alda, was geht?
' –‚Konkret, ich hab' eine neue Job, verstehst du.
' – ‚Alda!
' –‚Konkret, ich bin korrekt Lehre jetzt, weissu?
' – ‚Was machstu für Lehre, Alda?
' –‚Konkret, ich bin jetzt korrekt Stift'.
/ ‚Was redest du, du Hund?
Voll haram, Junge.
Was los, moruk?
Cüs, er hat voll gelabert, walla ya!
'" Alda, was geht?
ist die Begrüßung unter diesen Jugendlichen und die Frage danach, was es an Neuigkeiten gibt.
Konkret, inzwischenkaum noch benutzt, will nichts anderes sagen als „also".
Und korrekt ist ein Evaluativum, manchmal sogar noch gesteigert als voll korrekt.
Haram ist „schlimm", moruk wird inzwischen öfter benutzt als alda, und Cüs, er hat voll gelabert, walla ya!
dient als Bekräftigung und will so viel sagen wie: „Er hat das einfach erfunden, wirklich." Statt des deutschen „Na los!" benutzen die Jugendlichen das arabische „Yalla." Die Grammatik folgt im Kiezdeutschen eigenen Regeln: Artikel können ebenso wegfallen wie Reflexivpronomen oder Präpositionen – einzelne Sätze können so deutlich einfacher werden und auf die halbe Länge schrumpfen.
Aus dem Satz „Lass' uns jetzt mal zur Schule gehen" wird: „Lass' ma' Schule gehen".
Ein Ausdruck der Begeisterung oder auch der Ablehnung ist das Adjektiv „krass": „Alles krass.
Oh, seh' ich geil aus!" Doch was ist Kiezdeutsch, das auch „Kanaksprak" oder „Türkenslang" genannt wird, abseits der ständig wiederkehrenden Vorurteile?
So richtig lässt sich das nicht fassen.
Nicht immer kann festgestellt werden, inwieweit Jugendliche statt des klassischen „Verpiss' dich, Alter, oder ich schlitz' dich auf!" tatsächlich Formulierungen wie „Siktir Lan, üsch mach düsch Messer!" verwenden.
Und die Jugendlichen sprechen nur mit Altersgleichen Kiezdeutsch.
Bei anderen wie Heike Wiese verfallen sie sofort ins Hochdeutsche.
Oder – diese Erfahrung hat der Hamburger Linguist Jannis Androutsopoulos gemacht – sie übertreiben es.
Sie parodieren, machen sich lustig über die Art und Weise, wie sie selbst reden, in ihrer eigenen Zunge sprechen: „Wir können zum Beispiel in Interviews überhaupt keine Sprachdaten kriegen.
Wenn ich losgehe und 'nen Jugendlichen interviewe, der eben noch mit seinen Freunden Kiezdeutsch gesprochen hat, dann verfällt der ins Standarddeutsche.
Der spricht mit mir nicht Kiezdeutsch.
Dafür bin ich zu alt.
/ Jugendliche parodieren Parodien und manchmal merken wir Forscher das gar nicht – und wir denken, jetzt reden sie in ihrer eigenen Zunge, während die eigentlich nur widerhallen sozusagen, etwas parodistisch wiedergeben." In der Sprachforschung wächst zudem die Unsicherheit, ob es so etwas wie einen einzigen Ethnolekt oder Multi-Ethnolekt überhaupt gibt.
Denn die Unterschiede in der Sprechweise von Jugendlichen mit ähnlichen ausländischen Wurzeln sind meist größer als die Gemeinsamkeiten – je nachdem, woher, aus welchem Milieu, jemand stammt und in welcher Stadt er lebt, meint Jannis Androutsopoulos: „Es gibt vielerlei Ethnolektales, es gibt aber keinen Ethnolekt.
Also, das Problem ist dann die Erwartung einer Einheitlichkeit quer durch Kleingruppen, quer durch Milieus und Städte und so weiter.
Das ist das, was wir sicherlich nicht fassen können." Doch unabhängig davon herrscht Einigkeit, dass überall im Land neue Formen des Deutschen gesprochen werden.
Dies werde die Sprache insgesamt verändern, glaubt Uwe Hinrichs, Sprachwissenschaftler an der Universität Leipzig: „Ich sage zunächst mal, dass der Einfluss natürlich massiv ist.
Dass der sich mit der Zeit auskristallisiert, dass er merkwürdigerweise – auch vielleicht aus Correctness-Gründen – nicht erfasst wird, und dass er auch unumkehrbar ist." Für Uwe Hinrichs ist eindeutig erkennbar, dass Ethnolekte die deutsche Hochsprache sehr stark, massiv, beeinflussen.
Das werde mit der Zeit immer deutlicher werden, es werde sich herauskristallisieren, wie ein Kristall, der sich bildet und verhärtet.
Allerdings sei das etwas, was nicht zu Kenntnis genommen, erfasst, werde.
Denn es entspreche nicht der Vorstellung von der Veränderbarkeit der Sprache, der Correctness.
Hinrichs sagt voraus, dass in den nächsten Jahrzehnten bestimmte grammatische Formen ganz verschwinden werden.
So wird beispielsweise aus der korrekten Konstruktion „Das Haus meines Vaters" „Das Haus von mein Vater", aus „Er ist geeigneter" wird „Er ist mehr geeignet".
Dieser Prozess ist für Uwe Hinrichs endgültig, unumkehrbar.
Für die deutsche Sprache bedeutet das, dass die Sprachstruktur deutlich einfacher sein und der Struktur im Englischen oder Französischen gleichen wird.
Diese Entwicklung der Simplifizierung, Vereinfachung, wird sich für Uwe Hinrichs nicht auf die gesprochene Sprache allein beschränken, sondern auch die geschriebene Sprache erfassen.
Ein Beweis hierfür ist für ihn die Kommunikation im Internet: „Das Schriftsprachliche wird unter dem Einfluss der mündlichen Umgangssprache wesentlich einfacher werden.
Hat man ja heute schon durchs Internet und durch Chattenund durch andere Kommunikationsformen." Hinrichs Kollegen, Heike Wiese und Jannis Androutsopoulos, sind da skeptischer: „Ob Kiezdeutsch die Sprache insgesamt verändert, vermag ich nicht zu sagen.
Ein einzelner Dialekt kann das eigentlich selten.
Auch Hessisch verändert das Deutsche insgesamt jetzt nicht wirklich massiv.
/ Die Idee, dass eine Varietät einer Sprache zu einer Simplifizierung von einer Gesamtsprache führt – ich kann das einfach nicht nachvollziehen." Ein einzelner Dialekt wie das Hessische kann, so Heike Wiese, eine Sprache nicht verändern.
Ähnlich sieht das Jannis Androutsopoulos.
Vor allem in der Politik, der Wissenschaft, den Medien und anderen Bereichen wird die Standardsprache Bestand haben, glaubt er.
Anders könne dies allerdings in der Alltagssprache aussehen: „Wenn sich die Bevölkerungsstruktur verändert in einem Land, dann wird das auch in der Sprache seine Auswirkungen haben."
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