德语助手
2018-03-19
In der grammatischen Feinkostabteilung
Die beiden Begriffe sind etwas für wahre Feinschmecker der deutschen Grammatik: „gleich" und „dasselbe". Selbst Muttersprachler kommen beim Gebrauch manchmal gehörig durcheinander. Wo liegt der Unterschied?
„Wir sitzen alle in einem Boot" ist ein oft gehörter Ausspruch, der bedeutet: Wir erreichen ein Ziel nur gemeinsam oder scheitern gemeinsam. Statt in einem Boot sagt man auch im gleichen Boot oder im selben Boot. Aber ist das gleiche Boot auch dasselbe? Die Grammatik einer Sprache hat – wie ein großes Lebensmittelgeschäft – viele Abteilungen, darunter eine für „Feinkost". In der deutschen Feinkostabteilung wird häufig dieselbe – oder die gleiche? – Frage gestellt: „Was bitte ist der Unterschied zwischen dasselbe und das Gleiche?"
Nun, beide stehen in verschiedenen Regalen: gleich bei der Wortklasse Adjektiv – wie groß, rot, schön und viele andere mehr. Dasselbe steht bei der Wortklasse Pronomen – wie dieser, jener, er, sie, es. Die Pronomen bilden eine kleine, geschlossene Wortklasse, deren grammatische Hauptfunktion darin besteht, auf andere Wörter im Text zu verweisen. Ein Beispiel: „Der Minister kam vormittags zu einem Besuch nach Ulm. Im Rathaus wurde er vom Bürgermeister begrüßt."
Er verweist auf Minister – beide Wörter bezeichnen eine identische Person. Um 1900 hätte eine Zeitung den Identitätsbezug anders formuliert: „Der Minister kam vormittags zu einem Besuch nach Ulm. Im Rathaus wurde derselbe vom Bürgermeister begrüßt."
Heute wirkt dieser Gebrauch von derselbe antiquiert, ja komisch. Er war aber im 19. Jahrhundert in der Schriftsprache durchaus üblich. Sprachstilkritiker kämpften dagegen. Sie kritisierten den Gebrauch als Ausdruck eines „verrotteten Sprachgefühls" und als„papierdeutsch".
Mit Erfolg: Derselbe, dieselbe, dasselbe, diese – so ein Kritiker – „schleppenden, dreisilbigen Ungetüme", verschwanden in pronominaler Funktion. Es blieb aber eine Nebenfunktion, nämlich die adjektivische. Und hier konkurriert dasselbe mit gleich. Das führt zu folgender Frage: Gibt es einen Unterschied?
Das Adjektiv gleich drückt eine Übereinstimmung aus. Diese kann vollständig sein oder sich nur auf gewisse Merkmale beschränken. Wenn verschiedene Personen das gleiche Schicksal haben, bedeutet dies nicht, dass ihr Leben in allen Einzelheiten übereinstimmt, sondern nur in wichtigen.
Wird hingegen ein Geldvermögen zu gleichen Anteilen vermacht, erhält jeder Erbe die identische Summe. Die Übereinstimmung bei gleich ist also dehnbar, elastisch – sie liegt zwischen Identität, also vollständiger Gleichheit, und Ähnlichkeit.
Bei dasselbe sieht das anders aus. Es hat eine engere Grundbedeutung, nämlich Identität: Wenn Zwillinge dieselbe Zahnbürste benutzen, dann handelt es sich um eine Zahnbürste, ein und dieselbe. Und wenn sie die gleiche Zahnbürste benutzen?
Dann, antworten grammatische Feinschmecker, seien – sprachlich korrekt – zwei Zahnbürsten gemeint. Sie sehen sich zum Verwechseln ähnlich, weil sie vom selben Fabrikanten stammen. Noch genauer: gleich bezeichne eine abstrakte Identität, also in diesem Fall das Fabrikat; dasselbe hingegen eine konkrete Identität, also die einzelne Zahnbürste.
Soweit die Theorie. Aber warum schreibt dann zum Beispiel der deutsche Dichter Rainer Maria Rilke über zwei Personen: „Sie tranken aus demselben Becher und sie bestiegen das gleiche Reitpferd", obwohl es ein und dasselbe Pferd ist?
Und warum spricht Johann Wolfgang von Goethe von Kunstwerken, die „vom gleichen Meister gearbeitet sind" und meint ein und denselben Meister? Man mag hier künstlerische Freiheit unterstellen. Denn es gilt: dasselbe gibt's nur einmal, während das Gleiche gewissermaßen ein Duplikat ist. Es sieht dem anderen zum Verwechseln ähnlich, ist aber nicht mit diesem identisch. Ein weiteres Beispiel: Zwei Männer können nicht zur selben Zeit dasselbe Jackett tragen, wohl aber das gleiche.
Dasselbe drückt die Identität eindeutiger aus als gleich. Deswegen wird es in der Fachsprache bevorzugt, aber auch in stilistischen Zweifelsfällen, wie der Übersetzung eines bekannten lateinischen Sprichwortes. Diese lautet wörtlich: „Wenn zwei das Gleiche tun, ist es nicht das Gleiche."
Will man den Unterschied zwischen dem ersten und dem zweiten gleich verdeutlichen, empfiehlt sich die Formulierung: „Wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe." Andere Sprachen müssen hier die verschiedene Gleichheit mit einem Wort wiedergeben. Im Englischen heißt es dann: „When two do the same thing, it is not the same thing at all."
Die Nuance im Deutschen erfreut nur grammatische Feinschmecker. Für den Normalanwender besteht ein Unterschied zwischen den Identitätsausdrücken das Gleiche und dasselbe nur stilistisch. In der Alltagssprache werden beide Ausdrücke – so wie es gerade passend erscheint – angewendet.
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