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2019-09-03
Deutsches Liedgut zwischen Schlager und Deutsch-Rap
Lieder in deutscher Sprache haben eine lange Tradition. Nie aber waren deutsche Lieder so vielfältig und beliebt wie heute, nicht nur in der Volksmusik, sondern auch bei Pop- und Schlagersängern, Rockern und Rappern.
„Hallo Lieblingsmensch / Ein Riesenkompliment / Dafür, dass du mich so gut kennst / Bei dir kann ich ich sein, verträumt und verrückt sein / Na na na na na na …"
„Ich kenn Namika, da gehe ich heute Abend auch auf ein Konzert. Ich find die Texte schön. ‚Der Lieblingsmensch' fand ich irgendwie schön und dann gibt's noch ‚Je ne parle pas français', das ist das neue Lied von ihr, das finde ich am schönsten von allen.
Und dann kenne ich noch einen, also der heißt ‚Chefket', das ist ein Rapper, und den finde ich am schönsten bei so Deutschliedern, das ist Rap-Musik, aber ohne Schimpfwörter, sagen wir so".
„Du nimmst mich gar nicht wahr / Ich nehm mich viel zu ernst / Und nehme an, du nimmst es an und schenke dir mein Herz / Es ist zwar nicht mehr ganz / Denn Scherben brachten mir kein Glück / Doch wenn ich mich in dir verlier / Gewinn ich dich zurück …"
So klingt Rap-Musik ohne Schimpfwörter für die 15-jährige Ayla. Der Rapper Chefket und die Sängerin Namika sind zwei moderne Idole unter deutschen Jugendlichen. Idole mit sanfter Musik, was aber nur einen kleinen Teil eines breiten Spektrums abbildet, das derzeit die lebendige Musikszene Deutschlands auszeichnet.
Eine Szene, die mehr als je zuvor auf deutsche Texte setzt. Lieder mit eingängigen Beats sind dabei schon lange stilbestimmend, meint der Musiker und Journalist Jan Tengeler:
„Hip-Hop fällt mir ein als zeitgenössische Musik, die gesungen wird. Ich glaub, deshalb funktioniert das ganz gut, weil das einfach ganz nah an den jungen Menschen dran ist, und textlich können die eben alles, was sie möchten, rüberbringen.
Und als Erstes fällt mir ein natürlich immer noch die ‚Fantastischen Vier'. Dann denke ich an so Leute wie ‚Haftbefehl', ich denk zum Beispiel an diese ganze Gangsta-Rap-Szene, die das haben, was man ‚Street-Credibility' nennt.
Die kommen von der Straße, sie singen von der Straße und damit erreichen die 'n Riesenpublikum".
Dass man von der Straße kommt, aus schwierigen sozialen Verhältnissen stammt, und möglicherweise kriminell war oder ist, beispielsweise Drogen verkauft, gedealt hat, ist eine Art Markenzeichen der Gangsta-Rap-Szene.
Die Texte sind gewaltorientiert, sexistisch, rassistisch. Einer von ihnen ist der deutsche Rapper Haftbefehl. Jan Tengeler begründet, warum er bei manchen jungen Leuten ankommt:
„Das ist wirklich 'n Typ, der viel im Gefängnis saß, das ist wirklich jemand, der gedealt hat, der also aus sozial unteren Schichten herkommt und der genau das thematisiert und relativ erfolgreich das eben macht.
Und es gibt diesen Begriff der ‚Authentizität', der da irgendwie ganz gut verfängt und sich über diese Wortschöpfung oder über den Flow, wie die rappen, sich offensichtlich am besten erschließt".
Kriminelle Vergangenheit ist für solche Typen, Menschen, ein positives Markenzeichen von Echtheit, Authentizität und Coolness. Ihre Art und Weise, zu rappen, ihr Flow, und das, was sie singen, verfängt. Es bleibt haften und wird verstanden, erschließt sich.
Das klingt zunächst seltsam, ist aber auch in anderen Zusammenhängen anzutreffen.
Schließlich wurden Seeräuber früher in der Literatur auch oft als romantische Helden glorifiziert und waren meist letztlich nichts anderes als gewalttätige Seefahrer, die vor Mord nicht zurückschreckten und Diebstahl als Hauptbeschäftigung betrieben.
Chefket und Gangsta-Rapper Haftbefehl sind nur Schlaglichter einer bunten Musikszene, die von schlichten Schlagern bis zu Rock und Pop reicht. Das war nicht immer so. Es gab nur drei wesentliche Liedformen mit deutschen Texten, sagt Jan Tengeler:
„Also historisch betrachtet tatsächlich Kirchenlied, Volkslied, Kunstlied".
Das Kirchenlied wurde erst mit dem Reformer Martin Luther deutsch, vorher sang man in der Kirche Latein. Neben den Volksliedern mit einfachen Harmonien und leicht verständlichen Texten war das Kunstlied anspruchsvoller und komplexer komponiert und oft von poetischen Texten begleitet.
Anfang des 20. Jahrhunderts – so Jan Tengeler – trat dann ein neues Genre auf den Musikplan:
„Dann kam irgendwann der Schlager. Der Schlager ist irgendwie so 'ne komische Mischung aus Volkslied und Kunstlied, weil es gibt Schlager, die sind wahnsinnig kunstvoll, haben aber dann immer diesen Vorteil, dass sie für viele Leute gut funktionieren.
Manchmal sind's banale Gassenhauer. Ich würde sagen, dass Schlager dann, wenn sie wirklich bekannt sind, eigentlich automatisch auch Volkslieder sind. Also zum Beispiel ‚Auf der Reeperbahn nachts um halb eins'.
Das ist 'n Stück, das kann man wirklich an vielen Orten in Deutschland singen und es gibt viele Leute, die mitsingen. Das ist für mich dann ein Zeichen, dass es eigentlich ein Volkslied ist".
Viele Lieder aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg sind heute noch überall präsent in Deutschland, werden bei Festen gesungen oder von Musikern neu interpretiert. So gesehen sind es Gassenhauer, Lieder, die sehr bekannt sind.
Dazu zählt für Jan Tengeler auch das von Hans Albers gesungene Walzerlied „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins" aus den Jahren 1944/1945.
In den 1960er Jahren, einer Zeit der Rebellion und des politischen und gesellschaftlichen Wandels, wurde ein neues Genre geboren: das der Liedermacher wie Franz Josef Degenhardt, Reinhard Mey und Hans Dieter Hüsch.
Da wird es dann zum einen melancholisch, zum anderen linkspolitisch, so Jan Tengeler:
„Dann kamen irgendwann die Liedermacher, die sich 'n bisschen in 'ne andere Tradition gestellt haben. Liedermacher haben noch viel mehr ihre Konzentration auf den Text gelegt als die Schlager und haben auch das ganze Musikalische noch viel weiter runtergefahren.
Also nur die Klampfe und nur die Stimme. Und die Klampfe macht eigentlich nur so 'n bisschen Plingplingplingpling, sag ich jetzt mal, und da erzählt einem im besten Fall wirklich jemand 'ne Geschichte oder er referiert über irgendetwas.
Degenhardt, Hüsch, Reinhard Mey dann auch, die haben linke, kritische Lieder gesungen".
Liedermacher „machten" Lieder. Der Schwerpunkt lag auf dem Textinhalt, weniger auf der Musik. Sie war eher Begleitung, ihr Anteil wurde verringert, runtergefahren.
Wenn, dann gab es laut Jan Tengeler nur ein bisschen Plingplingpling, ein paar Töne, oft von der Gitarre, der Klampfe. Eines der berühmtesten Lieder aus dieser Zeit ist das Lied „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern" von Franz Josef Degenhardt aus dem Jahr 1965, eine Ikone deutscher Liedgeschichte.
Während Liedermacher eher eine Nische bedienen, trifft das auf Volksmusik und Schlager nicht zu. Rein statistisch betrachtet sind sie die größten Publikumslieblinge.
Wer kennt nicht „Atemlos" von Helene Fischer, wer nicht Sendungen im Fernsehen wie „Feste der Volksmusik" mit Florian Silbereisen oder den „Musikantenstadl".
Mehr als dreißig Jahre lang, von 1969 bis 2000, lief im deutschen Fernsehen erfolgreich die „Hitparade", die vor allem durch ihren 2018 verstorbenen Moderator Dieter Thomas Heck bekannt wurde.
An Volksmusik scheiden sich allerdings die Geister. Bei den einen ist sie beliebt, für die anderen ein Graus, und manchmal ist sie sogar Anlass zum Generationenstreit.
Die 50-jährige Susanne und ihr Bekannter Thomas haben eine eindeutige Meinung zum Thema:
„Für mich ist das kein entspannendes nettes Gefühl, nichts, womit ich mich auch nur ansatzweise wohlfühle oder identifizieren kann. „Extrabreit" und „Ideal" war so ‚meine Musik' in Deutsch, die ich extrem gut fand.
Und da war ich, ich glaub, 14 Jahre alt, und das war so mein Einstieg außerhalb der Schlagerwelt, die ich mit meinen Eltern bei, wie nannte sich das, Dieter Thomas Heck, das musste ich mit meinen Eltern angucken, und das war für mich einfach 'ne Qual.
/ Geht mir genauso, ja. Schöne heile Welt wird da vorgegaukelt, so einfache Texte, die man sich gut einprägen kann. Also, die Texte sind grausam teilweise. Das kann man sich nicht anhören. Reinhard Mey oder so was, das ist ja was ganz anderes als jetzt so 'n Florian Silbereisen.
Das ist ja 'n Liedermacher kann man sagen, und das ist natürlich viel geistreicher vom Text her, was ganz anderes, interessanter, da hört man gerne zu und da denkt man drüber nach, und das bewegt einen vielleicht doch. Aber das hat man bei dieser klassischen Volksmusik natürlich gar nicht".
Susanne mochte in ihrer Jugend, den 1980er-Jahren, eher Bands der Neuen Deutschen Welle wie „Extrabreit" und „Ideal". Schlager anzuhören, war für sie wie für Thomas qualvoll und grausam, sehr schlimm.
Thomas steht eher auf Liedermacher wie Reinhard Mey, die in ihren Texten wenigstens Aussagen treffen. In Schlagern wird seiner Meinung nach eine schöne heile Welt, eine Scheinwelt, geschildert, die so nicht existiert. Es wird etwas vorgegaukelt.
Wem es dann mal zu bunt wird, kann sich auf Reinhard Meys für alle Generationen gültigen Song einlassen, von dem es vielleicht auch mal eine gerappte Version geben wird:
„Über den Wolken / Muss die Freiheit wohl grenzenlos sein / Alle Ängste, alle Sorgen / Sagt man / Blieben darunter verborgen / Und dann / Würde was uns groß und wichtig erscheint / Plötzlich nichtig und klein …"
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