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2018-08-15
Es war eine Epoche der Ritter, Burgherren und Minnesänger, aber auch der Leibeigenschaft, der Pest und der bitteren Armut: das Mittelalter. Ritterspiele und Mittelalterfeste ziehen heutzutage viele Menschen an.
Diese Epoche, die etwa von 500 nach Christus bis ungefähr 1500 dauerte, fesselt viele Deutsche: Historische Romane aus dem Mittelalter stehen regelmäßig auf den deutschen Bestsellerlisten, entsprechende Fernsehfilme interessieren ein Millionenpublikum.
Dazu kommen Mittelaltermärkte, Mittelalterfeste und andere Möglichkeiten, die Zeit zu erleben. Viele Menschen wechseln dann für ein paar Stunden schnell ihre Alltagskleidung gegen eine Kleidung aus dieser Zeit, um sich in eine längst vergangene Epoche zu versetzen.
Zu diesen Veranstaltungen gehört auch das sogenannte „Mittelalterlich Phantasie Spectaculum". Die Veranstalter bezeichnen es selbst als „das größte reisende Mittelalter Kultur Festival der Welt".
Wer es besucht, wird vom Geruch gegrillten Fleischs empfangen oder von Harfen-, Geigen- und Trommelmusik. Nicht nur, dass alle mittelalterlich gekleidet sind. Man benutzt auch Begriffe aus der Zeit oder die man für mittelalterlich hält. Statt „Bier" gibt es „Met".
Es wird nicht in Euro, sondern in „Talern" bezahlt. Die Besucher sind bunt gemischt: Kinder, Erwachsene, Jüngere und Ältere. Warum besuchen sie ein Mittelalterfest? „Das Schöne ist einfach, die Leute sind hier ungezwungen, und jeder ist halt so, wie er sein will. Und das finde ich einfach wunderschön. / Es ist immer entspannend, obwohl da auch Alkohol fließt.
Es gibt nie Theater, keine Schlägereien. Die Leute gehen nett, vernünftig miteinander um. Das macht Spaß. / Also, man merkt es auch, sobald man auf so 'nen Markt kommt. Man wird automatisch selber langsamer und lässt das alles viel mehr auf sich wirken". Alle drei Besucher schätzen die Stimmung auf dem Fest.
Sie ist natürlich, ungezwungen; es gibt kein Theater, also keinen Streit oder Schlägereien – und das, obwohl Alkohol fließt, getrunken wird. Die Besucherin findet, dass diese ruhige, entspannte Atmosphäre einen Einfluss auf das eigene Verhalten hat.
Man sei empfänglich für diese Ruhe und Entspanntheit, lasse alle Eindrücke viel mehr auf sich wirken. An einigen Ständen können die Besucher zuschauen, wie Brot gebacken, getöpfert oder handwerklich gearbeitet wird.
Eine Besucherin ist schon zum dritten Mal auf einem Mittelalterfest. Sie kennt den Grund für die Attraktivität solcher Feste: „Eine Fluchtbewegung auch vielleicht auch von diesem ganzen Massenkonsum. Man ist ja so übersättigt mit allem. Und hier ist es so 'n bisschen ‚back to the roots'".
Die Besucherin verwendet die englische Redewendung „back to the roots" – „zurück zu den Wurzeln", um zu verdeutlichen, dass Besucher solcher Feste zumindest für ein paar Stunden das einfache Leben suchen. Es sei eine Fluchtbewegung in eine andere Zeit. Denn in der modernen Welt sei man übersättigt, es gebe zu viel, so dass man es gar nicht mehr richtig wertschätzen kann.
Es herrsche Massenkonsum. Walter Pohl, Professor für mittelalterliche Geschichte an der Universität Wien, wundert es nicht, dass das Mittelalter einen so großen Reiz auf so viele Menschen ausübt: „Das liegt dran, dass es auf der einen Seite fremd und exotisch ist und auf der anderen Seite doch irgendwie vertraut. Das heißt, es hat so eine interessante Balance von Nähe und Exotik, dass ich das Mittelalter leicht als eine Gesellschaft vorstellen kann, wo alles noch 'n bisschen einfacher und übersichtlicher ist als in der modernen Welt, die man schwerer überblicken kann". Professor Pohl findet, dass viele Menschen Probleme haben, sich in der heutigen Welt zurechtzufinden.
Solche Mittelalterveranstaltungen seien fremd und vertraut zugleich, es gebe eine Art Gleichgewicht, Balance, zwischen Distanz und Nähe.
Bei gutem Wetter zieht das „Mittelalterlich Phantasie Spectaculum" bis zu 10.000 Besucher an. Die Schausteller, also diejenigen, die von einem Jahrmarkt zum nächsten fahren, sowie die Künstler werden für eine Saison engagiert. Diese reicht von April bis Oktober. Edwin Ball organisiert das Fest mit anderen zusammen.
Auch wenn er beruflich viel mit dem Mittelalter zu tun hat, interessiert es ihn auch privat: „Das Mittelalter, also, das sind ja, erst mal sind es die Säulen unserer Kultur. Ich meine, wenn man sich einmal die Geschichte anschaut: Damals wurde Europa geschaffen durch irgendwelche Bande. Da haben irgendwelche Herzöge, Könige haben sich verheiratet, um noch mehr Reichtum und noch mehr Ländereien zu haben". Edwin Ball ist der Meinung, dass die europäische Kultur auf dem Mittelalter beruht.
Er verwendet das Bild eines Gebäudes mit starken Pfosten aus Stein, Säulen, die das Dach stützen. Ein wesentliches Merkmal für ein zusammenwachsendes Europa war das System arrangierter Heiraten, um den Landbesitz, die Ländereien, zu vergrößern. Es wurden Bande, Verbindungen, geschaffen.
Hochzeiten waren in der Regel keine Liebesheiraten, sondern Zweckverbindungen. Von der Liebe handelten dagegen die Lieder der Minnesänger, die hochgestellte adelige Frauen anbeteten.
Edwin Ball findet allerdings, dass das Mittelalter keine vergangene Epoche, sondern immer noch sichtbar ist: „In Deutschland haben wir unglaubliche Zeitzeugen, stumme Zeitzeugen. Wenn wir nur mal den Rhein durchfahren mit der Schifffahrt: Wir haben hunderte und aberhunderte Burgen alle 20 Kilometer weiter. Und der Deutsche, der findet im Mittelalter Attribute, die es im modernen Leben nicht gibt.
Also, wenn wir an Ritter denken: Der Ritter steht für 'n modernen Menschen für ‚Leidenschaft', für ‚Ehrlichkeit', für ‚Tapferkeit' – ist 'n Attribut, das dem modernen Menschen fehlt". Wie es früher war, kann niemand mehr erzählen, es gibt keine menschlichen Zeitzeugen.
Aber es gibt – wie Edwin Ball sagt – stumme Zeitzeugen in Form der vielen Burgen, die zum Beispiel entlang des Rheins stehen. Edwin Ball gibt keine genaue Zahlenangabe, sondern verwendet den Ausdruck hunderte und aberhunderte als Synonym für sehr viele.
Manche dieser steinernen Bauten mit starken Mauern und Türmen sind so gut erhalten oder wiederhergestellt worden, dass man sehen kann, wie die Menschen im Mittelalter gelebt haben.
Das große Interesse an dieser Zeit führt Edwin Ball auch auf bestimmte Werte zurück. Edwin Ball bezeichnet diese – nicht ganz richtig – als Attribute.
So stehen zum Beispiel die Ritter – nach heutigem Verständnis vergleichbar mit Soldaten – für Werte, die es nach seiner Meinung in der heutigen Gesellschaft nicht mehr gibt.
Irgendwann müssen aber auch die Besucherinnen und Besucher eines Mittelalterfestes wieder ins Hier und Jetzt zurück. Nicht jedem fällt das leicht. Aber man kann ja wiederkommen.
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