德语助手
2023-08-16
Die Vergangenheit ist ein weites, geheimnisvolles Reich.
Es beginnt beim Urknall und erstreckt sich bis in die Gegenwart, wo es mit jedem vergangenen Moment größer wird.
Zu diesem Reich gehört alles, was einmal war.
Es ist der Schlüssel, um unsere Gegenwart zu verstehen.
Wir finden dort die erstaunlichsten Wesen, die je auf diesem Planeten herumgestreift sind.
Hunderte Millionen Spezies, alle so verschieden, dass wir uns das kaum vorstellen können.
Leider gibt die Vergangenheit ihre Geheimnisse nur sehr ungern preis.
Wir wissen zwar eine Menge über die Vergangenheit, aber noch viel, viel mehr wissen wir nicht.
Und es kommt noch schlimmer.
Wahrscheinlich gibt es sogar noch viel mehr, von dem wir nicht mal wissen, dass wir es nicht wissen.
Denk nur mal an das Wunder des Lebens.
Uns sind heute etwa 1,5 Millionen eukaryotische Spezies bekannt.
Aber allein in der heutigen Zeit gibt es wohl bis zu zehn Millionen.
Und obwohl wir jedes Jahr etwa 15.000 neue Spezies zu unserem kollektiven Wissen hinzufügen können, haben wir die große Mehrheit noch nicht entdeckt.
Und das sind erst die, die heute existieren.
In den vergangenen Äonen haben sich auf unserem Planeten geschätzte vier Milliarden Spezies entwickelt.
Mindestens 99 Prozent davon sind allerdings bereits wieder ausgestorben - bevor ein Mensch je ein Wort sprach.
Der Großteil der Spezies, die jemals existiert haben, ist so vollständig ausgelöscht, dass sie zu ebendiesem Teil der Vergangenheit gehört, der für uns für immer verloren ist.
Oder vielleicht doch nicht?
Können wir dank Wissenschaft und Vorstellungsvermögen einen Blick auf diese verlorene Vergangenheit erhaschen?
Beginnen wir mal mit dem, was wir wissen.
Um etwas über die Wesen der Vergangenheit zu erfahren, brauchen wir Fossilien.
Also jegliche Überreste aus vergangenen geologischen Zeitaltern.
Knochen oder Schalen, Abdrücke, irgendwas in Bernstein.
All diese Fossilien zusammen werden als Fossilbericht bezeichnet.
Er ist das wahrscheinlich wichtigste Fenster in unsere Vergangenheit.
Damit aus einem toten Tier aber ein Fossil wird, müssen einige Faktoren zusammenkommen: die richtige Umgebung, das richtige Timing und die richtigen Verhältnisse.
Und dann muss dieses Fossil Millionen oder sogar Hunderte Millionen Jahre überstehen, wieder an die Oberfläche gelangen und dann auch noch entdeckt werden, bevor es von natürlichen Prozessen zersetzt wird.
Es ist also ein kleines Wunder, dass wir haben, was wir haben.
Und wissen, was wir wissen.
Nehmen wir mal die Dinosaurier , einfach weil sie für 165 Millionen Jahre eine der größten und erfolgreichsten Tiergruppen überhaupt waren.
Und weil wir sie gerne animieren.
Aber wie waren sie wirklich?
Und was ist uns vielleicht gar nicht bewusst?
In den letzten 200 Jahren wurden Zehntausende Fossilien von über 1.000 Dinosauerierspezies gefunden.
und seit einiger Zeit herrscht ein wahres goldenes Entdeckungszeitalter, in dem jedes Jahr etwa 50 neue Dino-Spezies zum Vorschein kommen - und wir immer mehr über sie herausfinden.
Dadurch merken wir auch, was wir alles nicht wissen.
Das ist fantastisch.
Aber es macht uns auch bewusst, wie viel von der Vergangenheit für uns verloren ist.
Nehmen wir mal sämtliche Tiere, die in den letzten 50 Millionen Jahren je existiert haben.
Und jetzt lassen wir aus 1.000 Spezies zufällig 10.000 Individuen versteinern.
Überleg dir mal, was da alles verlorengeht.
Und irgendwie auch viel zu abgefahren scheint, um wahr zu sein.
Die Giraffe etwa, ein gelbes Tier mit braunen Flecken, das aussieht wie eine Kreuzung aus einem Pferd und einer Antilope.
Mit einem langen Hals und niedlichen Hörnern.
Wie viele Dinos es wohl gegeben hat, die genauso absurd aussahen?
Tiere, die sich auf eine ganz kleine ökologische Nische spezialisierten, und durch die Evolution einen so absurden Körper entwickelten, dass sie uns heute einfach erfunden erscheinen müssen.
Wir wissen auch, dass viele Spezies für uns schon nur wegen ihres Lebensraums für immer verloren sind.
In einem üppigen Dschungel z.B. kann kaum etwas versteinern, weil hier nur selten überhaupt ein Tier begraben wird.
Frische Kadaver werden hier extrem schnell von zahllosen Aasfressern zerlegt.
Und der Boden ist meist so sauer, dass Knochen sich auflösen.
Deshalb gibt es quasi keine Fossilien von Dschungeldinosauriern.
Heute lebt die Hälfte aller uns bekannten Spezies in den wenigen verbleibenden Regenwäldern, die nur noch gerade zwei Prozent der gesamten Erdoberfläche bedecken.
Vor Millionen Jahren, als die Dinosaurier die Erde bevölkerten, waren viel größere Teile des Planeten von Dschungeln bedeckt.
Neben den paar Insekten und einigen anderen Kleintieren, die in Bernstein erhalten geblieben sind, wird es also Millionen Spezies gegeben haben, die entstanden und dann spurlos wieder verschwunden sind.
Verloren im unbekannt Unbekannten.
Schon allein die Biologie macht uns einen Strich durch die Rechnung.
Schau dir mal deinen Körper an.
Er besteht größtenteils aus matschigem, glitschigem, weichen Zeug.
Und das hält sich einfach nicht sehr gut.
Am längsten bleiben die kristallisierten Teile deiner Knochen erhalten.
Die meisten Dinosaurierfossilien sind also Knochen oder Zähne.
Und meistens sind es nur Einzelteile, keine ganzen Skelette.
Das bedeutet, dass fast alle Tiere ohne Knochen oder Schalen quasi aus dem Fossilbericht gelöscht sind.
Sehen wir uns die erstaunliche Vielfalt an merkwürdigen Tieren wie Würmern, Quallen und Nacktschnecken heute an, können wir nur grob schätzen, was uns da alles entgeht.
Immerhin: Viele hauptsächlich weiche und matschige Spezies haben uns dennoch eine riesige Vielfalt an Schalen hinterlassen, die eine ganze Menge über die Vergangenheit verraten.
Aber trotzdem: Versuchen wir uns all die knochenlosen Spezies auszumalen, die es in der letzten halben Milliarde Jahre gegeben haben muss, kann unsere eigenen Vorstellungskraft nur scheitern.
Aber selbst, wenn wir ein paar Knochen als Ausgangspunkt haben, ist es gar nicht so einfach, ein Tier zu rekonstruieren.
In den letzten Jahren hat sich deshalb unsere Vorstellung von Dinosauriern auch sehr verändert.
Auf älteren Illustrationen sehen sie immer knochig und minimalistisch aus.
Und fletschen gefährlich die Zähne.
Zeichnen wir heutige Tiere genauso von ihren Skeletten ausgehend, nur so zum Spaß, erhalten wir auch ganz bizarre Kreaturen.
Elefanten, Schwäne und Paviane werden dann zu Monstern, die den schlimmsten Albträumen entsprungen sein könnten.
Wir sollten uns Dinosaurier also genau wie die Tiere heute vorstellen.
Mit viel mehr Gewebe, mit Fett am Bauch und in der Brust, mit komischen Weichteilen wie Hautlappen, Lippen und Zahnfleisch und viel ausgeprägteren Zügen.
Das macht sie doch gleich viel sympathischer.
Manche solcher weichen Merkmale hinterlassen sogar erkennbare Spuren auf den Knochen, nach denen wir die Skelette ausgestorbener Tiere absuchen können.
Dabei sind heutige Tiere mit ähnlichen Merkmalen sehr hilfreich.
Ähnlich sieht es mit Farben aus.
Wir wissen, wie das Federkleid heute lebender Vögel gefärbt ist.
Das erlaubt uns mithilfe von moderner Technologie und immer selteneren Fossilien mit erhaltenen Überresten von flaumigen Federn die echten Farben von ausgestorbenen Dinosauriern zu erahnen.
Wir wissen, dass der winzige Sinosaurpteryx einen gestreiften Schanz hatte.
Und dass sein kleiner Dinofreund Anchiornis huxleyi schwarzweiß war, und wunderschöne rote Federn seinen Kopf kränzten.
Dennoch: Von der Mehrheit aller ausgestorbenen Spezies wissen wir eben nicht, welche Farben sie hatten.
Wir wissen aber, wie moderne Dinosaurier aussehen.
Vögel nämlich.
Und da gibt es ein riesige Vielfalt.
Manche Dinosaurier werden also wohl ebenfalls versucht haben, möglichst mit dem Hintergrund zu verschmelzen - während andere mit auffälligen Farben Partnern und Feinden imponierten.
Manche hatten vielleicht eindrucksvollen Schmuck oder farbige Schnäbel.
Andere könnten gestreift oder anderswie gemustert gewesen sein.
Ebenso wenig wissen wir über das Dinoverhalten.
Aber auch hier können wir Rückschlüsse von den heutigen Tieren ziehen.
Z.B. verbringen sogar Raubtiere wie Löwen eine Menge Zeit damit, faul herumzuliegen, zu kuscheln, sich zu putzen und miteinander zu spielen.
Warum sollten Dinosaurier da so anders getickt haben?
Als der erste Schädel eines T-Rex mit seinen mächtigen Zähnen und dem wahrscheinlich stärksten Biss aller Landtiere entdeckt wurde, stellten wir uns sofort eine wilde, dumme Bestie vor.
Moderne Scantechnologie zeigte aber, dass der T-Rex im Verhältnis zum Körper ein größeres Gehirn hatte als frühere große Fleischfresser.
Und wahrscheinlich hatte er ein sehr gutes Gehör.
Einen ebenso guten Seh- und Geruchssinn.
Und war wohl alles andere als dumm.
Vielleicht war der T-Rex also eigentlich ein knuffiger Kerl, der eine Menge Zeit damit verbrachte, zu spielen oder potenziellen Sexualpartnern zu imponieren, wenn er grad keinen Hunger hatte.
Oder die Ceratopsiden.
Mit ihren Hörnern und Panzern wirken sie wie geborene Kämper.
Aber sie müssen so viel mehr gewesen sein.
Sehen wir uns heutige Tiere an, und den komplexen Tanz, den sie aufführen müssen, bis es zu einer Paarung kommt, können wir uns vorstellen, dass ihre Panzer vielleicht wunderbar bunt waren.
Oder dass sie für ihre Paarungspartner tanzten.
Wie wahnsinnig eindrücklich diese Wesen gewesen sein müssen.
Was für ein Verlust, dass wir sie niemals werden bewundern können.
Schade, dass wir so vieles über sie nie wissen werden.
Und gar nichts über all die anderen absurden Lebewesen, die einfach spurlos verschwunden sind.
Aber so ist das Leben.
Der Lauf der Zeit kümmert sich nicht um unsere Gefühle.
Und das Reich der Vergangenheit wird mit jedem Moment größer.
Auch die meisten heute lebenden Tiere werden ziemlich sicher keine Fossilien hinterlassen, sondern ebenfalls spurlos und für immer verschwinden.
Dagegen können wir aber etwas tun.
Anstatt das Artensterben, das heute zu beobachten ist, zu beschleunigen, sollten wir alle Hüter der Lebens werden.
Und es überall schützen und erhalten, wo wir es antreffen.
Wenn möglich in der freien Wildbahn.
Aber wenn nicht, dann wenigstens in Museen, Filmen und in unserer Erinnerung.
Denn so wunderbar unsere Vorstellungskraft auch ist, und so faszinierend es ist, über jene unbekannt unbekannten Tiere nachzudenken, noch besser ist es, unsere Tiere heute zu beobachten.
In der Gegenwart.
Jenem Reich, das wir bewohnen und erleben dürfen.
Hautnah, bunt und in Echtzeit.
沙发还没有被抢走,赶紧过来坐会吧