德语助手
2017-12-06
Deutschen sagt man nach, sie wären ein Volk, das gerne jammert.
Ein Bild des Jammers geben sie zumindest nicht ab.
Gehen wir auf sprachliche Spurensuche, was hinter „Jammer" und „jammern" steckt.
Im Ausland werden wir Deutschen gern mit einer Eigenschaft in Verbindung gebracht: Weltmeister im Nörgeln und Wehklagen seien wir, ängstliche Pessimisten, ein Volk der Miesmacher und Jammerer.
Greifen wir den Vorwurf auf, nehmen ihn ernst und schauen einmal nach, was es denn mit dem Jammern auf sich hat.
„Jammern": ein urdeutsches Wort Sprachlich gesehen natürlich.
Schon seit Jahrhunderten „jammern" wir.
Denn der Begriff stammt aus dem Althochdeutschen: „jāmar" – mit Betonung auf der ersten Silbe.
Etymologen vermuten, dass ein Laut der Trauer und des Schmerzes zu der Wortbildung führte.
Dem Jammern liegt etwas Trauriges, etwas Bedrückendes zugrunde.
Würde man Wörter auf einer Hell-Dunkel-Skala anordnen, „jāmar" läge eher im Schatten.
„Jammer" – ein Wort der Trauer Spricht man das Wort aus, kann man sich gut vorstellen, dass es lautmalerischen Ursprungs ist.
Denn wer schon einmal jemanden jammern gehört hat, wird wissen, dass Jammern sich in meist lang gezogenen Lauten äußert, die das ganze Elend des Jammernden zum Ausdruck bringen.
Meist drückt dieses Jammern Schmerz aus.
Schmerz im wörtlichen wie im übertragenen Sinn.
Not, Elend, Leid: diese Gefühlszustände schwingen bedeutungsmäßig mit sowohl beim Nomen als auch beim Verb.
Ein Bild des Jammers Auch in seinen Zusammensetzungen.
Normalerweise.
Denn sagen wir über jemanden, er sei „ein Bild des Jammers", bedeutet das jedoch nicht unbedingt, dass uns das irgendwie berührt.
Wenn wir allerdings darüber jammern, dass unser Freund Peter nach der Trennung von Gaby ein Bild des Jammers ist und uns allen die Ohren volljammert, nehmen wir sehr wohl Anteil an seinem jammervollen Schicksal.
Der jammernde Peter muss aber keine jämmerliche Figur sein, jemand, den wir verachten, weil er ein bemitleidenswerter Feigling ist.
Arme Jammerlappen!
Jämmerliche Figuren können, müssen aber keine Jammerlappen sein.
Nun, wir alle wissen, dass sich mit Taschentüchern nicht nur Nasen putzen und Brillengläser sauber reiben, sondern auch Tränen trocknen lassen.
Ein scherzhafter Ausdruck für zu solchem Zweck benutzte Taschentücher war früher das Wort „Jammerlappen".
Heute versteht man darunter wehleidige Männer, die unter nicht enden wollendem Wehklagen und meist kränkelnd an sich und der ach so bösen, jammervollen Welt leiden.
Jammerschade, wer im Jammertal feststeckt Jammerschade, so was!
Ein weiterer „Jammer"-Begriff.
Früher gab es das Begriffspaar „Jammer und Schade", aus dem sich „Jammer und Leid" entwickelt hat.
In unserem heutigen „jammerschade" lebt es jedoch in anderer Gestalt fort.
„Jammer-" ist in dieser Zusammensetzung eine Verstärkung von „schade".
Man könnte auch sagen „sehr schade".
Nicht vergessen wollen wir im Zusammenhang mit dem Begriff „Jammer" das „Jammertal".
Damit ist nicht Deutschland und vor allem nicht die ganze Welt gemeint.
Vielmehr ist es ein Begriff, der in Psalm 84, Vers 7, der Bibel auftaucht: ein dürres, wasserarmes Gebiet, das das biblische Volk durchwandern musste, um zur göttlichen Quelle zu kommen.
Es wird auch als Tal der Tränen bezeichnet, eine Wendung, die in übertragener Bedeutung ebenfalls für Trauer und Kummer steht.
Irgendwas Bejammernswertes?
Rufen wir zum Schluss nun unseren stets fröhlichen Nachbarn ringsum zu: Haben wir etwa in diesem Beitrag an irgendeiner Stelle gejammert – über die Steuern, die Deutsche Bahn, das Wetter, die Regierung oder was auch immer bejammernswert wäre?
Haben wir nicht.
Eben!
2017/12/7 23:50:43