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2022-03-28
Steile These!
In jedem gutbürgerlich deutschen Haushalt findet sich zu jeder Zeit ein Glas Nutella.
Wir alle lieben die Nuss-Nugat-Creme.
Vor allem auf Brot zum Frühstück.
Warte, warum eigentlich zum Frühstück?
Das sind die Zutaten eines Glases Nutella.
Da ist nicht viel mit gesunder Start in den Tag.
Die wenigsten essen wahrscheinlich erst mal einen dicken Schokoriegel nach dem Aufstehen.
Wie sind wir hierhingekommen?
Warum fühlt sich Nutella auf gutem, deutschem Brot mit einem Glas Milch und O-Saft so natürlich an?
Ihr ahnt es.
Schuld ist eine seit Jahrzehnten andauernde Werbekampagne, die eigentlich unheimlich dreist ist, wenn man mal drüber nachdenkt, und Teil eines viel größeren Problems.
*Sphärische Musik*
Wir werden in diesem Video keinen der-die-das-Nutella-Joke machen.
Der sind einfach nicht witzig.
Sorry.
Der Konditor Pietro Ferrero hat Nutella 1940 in der Region Piemont in Italien entwickelt.
Das Produkt war die erste Nuss-Nugat-Creme ihrer Art und wurde in den folgenden Jahrzehnten überall auf der Welt ein Hit.
Auch dank einer brillanten Marketingstrategie des Ferrero-Konzerns.
Die Schokoladenartige Masse wird von Anfang an als Frühstück vermarktet.
So steht sie zum Beispiel nicht im direkten Wettbewerb mit Schokoriegeln, Weingummi oder anderen Süßigkeiten.
Stattdessen ist Nutella eine recht einzigartige Option unter Marmelade, Käse, Wurst, Cornflakes oder Joghurt.
Diese Strategie nennt man ganz allgemein Niche-Marketing.
Nutella ist nicht einfach eine Süßigkeit, sondern ein fester Bestandteil eines reichhaltigen, nahrhaften Frühstücks.
Es gibt herrliche alte Werbungen, in denen Nutella sogar als irgendwie gesund verkauft wird.
Machen wir uns gemeinsam auf eine Spurensuche durch die Jahrzehnte.
Hier ein Goldstück aus den 80ern.
"Omi, was haben wir da nur gemacht? Das ist gar kein Nutella"!
"Ist das nicht das Gleiche"?
"Das ist doch nicht das Gleiche wie Nutella".
"Richtig, Nutella ist nicht mit jeder Nuss-Nugat-Creme zu vergleichen".
"Nutella hat nämlich, summa summarum, viel Eiweiß, Kalzium und Eisen".
"Das sind unentbehrliche Lebensbausteine".
"Sie machen Nutella so wertvoll".
"Also, auf die Lebensbausteine kommt's an".
"Nutella - Lebensbausteine für jeden Tag".
"Mütter wissen, nur wo Nutella draufsteht, ist auch wirklich Nutella-Qualität drin".
"Gesunde, fettarme Milch, wertvolle Haselnüsse, leichte pflanzliche Fette, Zucker und eine Prise Kakao für den guten Geschmack".
Noch mal, Nutella hat vergleichbare Nährwerte wie ein dicker Schokoriegel.
Aber hey, die Haselnüsse sind wertvoll und ...
Eiweiß?
Die Logik ist, Nutella ist irgendwie nahrhaft, also Teil eines guten Frühstücks.
In den 90ern ist diese Message dann subtiler geworden.
"Und zum Frühstück gibt's Sachen, in denen noch was drinsteckt, wenn sie richtig schmecken, wie Nutella".
"Mit kräftigen Haselnüssen und dem Besten aus der Milch".
"Da steckt noch was drin".
"Und es schmeckt einfach sensationell".
Es steckt auf jeden Fall überall irgendwas drin.
Vor allem wird Nutella hier mit Haferflocken und Orangensaft in Verbindung gebracht.
Und mit Leistungssportlern wie Björn Dunkerbeck, dem ehemaligen dänisch- niederländischen Profiwindsurfer mit insgesamt 42 Weltmeistertiteln.
"Super, frische Milch, gutes Brot". - "Hey, und was gibt's drauf"?
"Was wohl"?
"Nutella"! - "Na, also".
Nutella auf's Brot.
Da hast du was drauf.
Die Shots des Glases Milch, der Früchte auf dem Tisch, des Brotes mit der dicken Kruste, so inszeniert Ferrero Nutella konsequent.
In den 2000ern folgen dann die legendären Werbungen mit der Fußballnationalmannschaft.
"Walter, wie viel Uhr ist es"?
"Zwei Minuten nach Trainingsbeginn". - "Höchste Zeit fürs Frühstück".
"Den hältst du niemals". - "Wetten"?
*Spannungsvolle Musik* *Dynamische Geräusche* *Idyllisches Vogelgezwitscher*
"Genau".
*Lässige Musik*
Die sind alle unfassbar gut produziert.
Und die Assoziation wird hier noch mal indirekter und geschickter.
Aus "Da hast Du was drauf". wird "Hast Du's drauf"?
Fußballer mit krassen Skills frühstücken neben dem Fußballplatz Nuss-Nugat-Creme, um direkt morgens richtig Leistung abliefern zu können.
Hier kombiniert Nutella das eigene Niche-Marketing mit einem weiteren weitverbreiteten Ansatz: Sport als Marketingvehikel für Süßigkeiten und ungesunde Snacks.
Für diese Strategie gibt es unzählige Beispiele.
Eine groß angelegte Studie hat herausgefunden, dass drei Viertel aller Lebensmittel-Sponsorings im Sport ungesunde Produkte sind.
Eine Assoziation mit Leistungssport kann von den eigentlichen Gesundheitsrisiken und negativen Effekten von Junkfood und Softdrinks ablenken.
Vor allem sind Profisportler aber oft Idole, insbesondere für Kinder und Jugendliche.
Firmen wie Ferrero, Haribo oder Mars wollen die jungen Kunden möglichst früh an sich binden und ihr Essverhalten prägen.
Auch über eine Assoziation mit coolen Nationalmannschaftsboys.
Der Ferrero-Konzern hat Nutella unter anderem über Jahrzehnte explizit an Kinder vermarktet.
Eigentlich ist es ziemlich fragwürdig, Heranwachsende an einen Start in den Tag mit den Nährwerten eines fetten Schokoriegels gewöhnen zu wollen.
Hier ist Nutella aber nur ein Beispiel für ein größeres Problem.
# Kinder sind hier stets willkommen.
# Schaut mal zu McDonald's rein.
Die Menschen in der westlichen Welt, ganz besonders in Deutschland, werden seit Jahrzehnten immer übergewichtiger.
Das ist leider gar nicht gut, weil Übergewicht mit zahlreichen Gesundheitsrisiken einhergeht.
Besonders problematisch ist, dass bereits Kinder immer häufiger übergewichtig sind.
Gemäß einer Langzeitstudie ist jedes sechste Kind in Deutschland übergewichtig oder sogar adipös.
Das sind 50 Prozent mehr als noch in den 90ern.
Viele unserer Essgewohnheiten entwickeln sich sehr früh und sind sehr hartnäckig.
Wer als Kind übergewichtig ist, bleibt es meist als Erwachsener.
Natürlich lieben Kinder Süßigkeiten.
Sie werden aber auch konstant mit Werbung für Weingummis, Schoki, Chips in Bärenform und eben Nuss-Nugat-Creme bombardiert.
Deshalb wird die Rolle der Lebensmittelindustrie in diesem Zusammenhang seit geraumer Zeit harsch kritisiert.
Die Weltgesundheitsorganisation fordert seit Jahren, Süßigkeitenwerbung an Kinder einzuschränken.
Einige Länder haben diese Art der Werbung bereits komplett verboten.
Auch in Deutschland wird das immer wieder diskutiert.
Wir haben Ferrero zu den Marketingstrategien rund um Nutella um Stellungnahme gebeten.
Wir haben bisher leider keine Antwort erhalten.
Die Werbung von Nutella ist Kult.
Genau wie das Produkt selbst.
Auch wir sind damit aufgewachsen.
Der Platz des Glases auf deutschen Frühstückstischen ist allerdings eigentlich eher erschlichen als berechtigt.
Klar kann man sich mal was Süßes gönnen, auch zum Frühstück.
Und eigentlich weiß wohl jeder, dass Nutella nicht gesund ist.
Aber so wurde das Produkt über Jahrzehnte nicht verkauft: von unentbehrlichen Lebensbausteinen zu fitten, charmanten Fußballern und glücklichen Familien.
Nutella ist ein herrliches Beispiel, wie das systemische Übergewicht in unserer Gesellschaft teils durch gezielte Süßigkeitenwerbung befeuert wird.
Kinder sind eine wichtige Zielgruppe.
Der Ferrero-Konzern ist hier allgemein ungeschlagen.
Dahinter stecken wichtige Fragen: Was darf man Kindern verkaufen?
Und abseits davon: Wie viele falsche Versprechen sind okay?
Wie irreführend darf es sein?
Wo liegt die Grenze zwischen gut verkauft und ausgetrickst?
Wie smart müssen Konsumenten sein?
Wie viel Verantwortung haben sie, Werbung zu durchschauen?
Haben sie ein Recht darauf, dass Unternehmen zumindest in gewissem Maße ehrlich sind?
Wir denken schon.
Cheers.
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