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[每日听力]《阴谋与爱情》:亲人入狱,恋人反目:强权压迫下露易丝的命运将何去何从

2017-12-16

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《阴谋与爱情》第三幕 第四~六场

Vierte Szene


Zimmer in Millers Wohnung.


Luise und Ferdinand.


LUISE. Ich bitte dich, höre auf. Ich glaube an keine glückliche Tage mehr. Alle meine Hoffnungen sind gesunken.


FERDINAND. So sind die meinigen gestiegen. Mein Vater ist aufgereizt. Mein Vater wird alle Geschüt ze gegen uns richten. Er wird mich zwingen, den unmenschlichen Sohn zu machen. Ich stehe nicht mehr für meine kindliche Pflicht. Wut und Verzweiflung werden mir das schwarze Geheimnis seiner Mordtat erpressen. Der Sohn wird den Vater in die Hände des Henkers liefern - Es ist die höchste Gefahr - - und die höchste Gefahr mußte da sein, wenn meine Liebe den Riesensprung wagen sollte. - - Höre, Luise - ein Gedanke, groß und vermessen wie meine Leidenschaft, drängt sich vor meine Seele - Du, Luise, und ich und die Liebe! - - Liegt nicht in diesem Zirkel der ganze Himmel? Oder brauchst du noch etwas Viertes dazu?


LUISE. Brich ab. Nichts mehr. Ich erblasse über das, was du sagen willst.


FERDINAND. Haben wir an die Welt keine Foderung mehr, warum denn ihren Beifall erbetteln? Warum wagen, wo nichts gewonnen wird und alles verloren werden kann? - Wird dieses Aug nicht ebenso schmelzend funkeln, ob es im Rhein oder in der Elbe sich spiegelt oder im Baltischen Meer? Mein Vaterland ist, wo mich Luise liebt. Deine Fußtapfe in wilden, sandigten Wüsten mir interessanter als das Münster in meiner Heimat - Werden wir die Pracht der Städte vermissen? Wo wir sein mögen, Luise, geht eine Sonne auf, eine unter - Schauspiele, neben welchen der üppigste Schwung der Künste verblaßt. Werden wir Gott in keinem Tempel mehr diene n, so ziehet die Nacht mit begeisternden Schauern auf, der wechselnde Mond predigt uns Buße, und eine andächtige Kirche von Sternen betet mit uns. Werden wir uns in Gesprächen der Liebe erschöpfen? - Ein Lächeln meiner Luise ist Stoff für Jahrhunderte, und der Traum des Lebens ist aus, bis ich diese Träne ergründe.


LUISE. Und hättest du sonst keine Pflicht mehr als deine Liebe?


FERDINAND sie umarmend. Deine Ruhe ist meine heiligste.


LUISE sehr ernsthaft. So schweig und verlaß mich - Ich habe einen Vater, der kein Vermögen hat als diese einzige Tochter-der morgen sechzig alt wird - der der Rache des Präsidenten gewiß ist.


FERDINAND fällt rasch ein. Der uns begleiten wird. Darum keinen Einwurf mehr, Liebe. Ich gehe, mache meine Kostbarkeiten zu Geld, erhebe Summen auf meinen Vater. Es ist erlaubt, einen Räuber zu plündern, und sind seine Schätze nicht Blutgeld des Vaterlands? - Schlag ein Uhr um Mitternacht wird ein Wagen hier anfahren. Ihr werft euch hinein. Wir fliehen.


LUISE. Und der Fluch deines Vaters uns nach, - ein Fluch, Unbesonnener, den auch Mörder nie ohne Erhörung aussprechen, den die Rache des Himmels auch dem Dieb auf dem Rade hält, der uns Flüchtlinge, unbarmherzig wie ein Gespenst, von Meer zu Meer jagen würde? - Nein, mein Geliebter! Wenn nur ein Frevel dich mir erhalten kann, so hab ich noch Stärke, dich zu verlieren.


FERDINAND steht still und murmelt düster. Wirklich?


LUISE. Verlieren! - O ohne Grenzen entsetzlich ist der Gedanke - Gräßlich genug, den unsterblichen Geist zu durchbohren, und die glühende Wange der Freude zu bleichen - Ferdinand! Dich zu verlieren! - Doch! Man verliert ja nur, was man besessen hat, und dein Herz gehört deinem Stande - Mein Anspruch war Kirchenraub, und schauernd geb ich ihn auf.


FERDINAND das Gesicht verzerrt und an der Unterlippe nagend. Gibst du ihn auf.


LUISE. Nein! Sieh mich an, lieber Walter. Nicht so bitter die Zähne geknirscht. Komm! Laß mich jetzt deinen sterbenden Mut durch mein Beispiel beleben. Laß mich die Heldin dieses Augenblicks sein - einem Vater den entflohenen Sohn wiederschenken - einem Bündnis entsagen, das die Fugen der Bürgerwelt auseinandertreiben, und die allgemeine ewige Ordnung zugrund stürzen würde - Ich bin die Verbrecherin - mit frechen, törichten Wünschen hat sich mein Busen getragen - mein Unglück ist meine Strafe, so laß mir doch jetzt die süße, schmeichelnde Täuschung, daß es mein Opfer war - Wirst du mir diese Wollust mißgönnen?


Ferdinand hat in der Zerstreuung und Wut eine Violine ergriffen und auf derselben zu spielen versucht - Jetzt zerreißt er die Saiten, zerschmettert das Instrument auf dem Boden und bricht in ein lautes Gelächter aus.


LUISE. Walter! Gott im Himmel! Was soll das? - Ermanne dich. Fassung verlangt diese Stunde - es ist eine trennende. Du hast ein Herz, lieber Walter. Ich kenne es. Warm wie das Leben ist deine Liebe und ohne Schranken wie's Unermeßliche - Schenke sie einer Edeln und Würdigern - sie wird die Glücklichsten ihres Geschlechts nicht beneiden - - Tränen unterdrückend. mich sollst du nicht mehr sehn - Das eitle betrogene Mädchen verweine seinen Gram in einsamen Mauren, um seine Tränen wird sich niemand bekümmern - Leer und erstorben ist meine Zukunft - Doch werd ich noch je und je am verwelkten Strauß der Vergangenheit riechen. Indem sie ihm mit abgewandtem Gesicht ihre zitternde Hand gibt. Leben Sie wohl, Herr von Walter.


FERDINAND springt aus seiner Betäubung auf. Ich entfliehe, Luise. Wirst du mir wirklich nicht folgen?


LUISE hat sich im Hintergrund des Zimmers niedergesetzt und hält das Gesicht mit beiden Händen bedeckt. Meine Pflicht heißt mich bleiben und dulden.


FERDINAND. Schlange, du lügst. Dich fesselt was anders hier.


LUISE im Ton des tiefsten inwendigen Leidens. Bleiben Sie bei dieser Vermutung - sie macht vielleicht weniger elend.


FERDINAND. Kalte Pflicht gegen feurige Liebe! - Und mich soll das Märchen blenden? - Ein Liebhaber fesselt dich, und Weh über dich und ihn, wenn mein Verdacht sich bestätigt. Geht schnell ab.


Fünfte Szene LUISE allein. Sie bleibt noch eine Zeitlang ohne Bewegung und stumm in dem Sessel liegen, endlich steht sie auf, kommt vorwärts und sieht furchtsam herum.


Wo meine Eltern bleiben? - Mein Vater versprach, in wenigen Minuten zurück zu sein, und schon sind fünf volle fürchterliche Stunden vorüber - Wenn ihm ein Unfall - Wie wird mir? - Warum geht mein Odem so ängstlich? Jetzt tritt Wurm in das Zimmer und bleibt im Hintergrund stehen, ohne von ihr bemerkt zu werden. Es ist nichts Wirkliches - Es ist nichts als das schaudernde Gaukelspiel des erhitzten Geblüts - Hat unsre Seele nur einmal Entsetzen genug in sich getrunken, so wird das Aug in jedem Winkel Gespenster sehn.


Sechste Szene Luise und Sekretär Wurm.


WURM kommt näher. Guten Abend, Jungfer.


LUISE. Gott! Wer spricht da? Sie dreht sich um, wird den Sekretär gewahr und tritt erschrocken zurück. Schrecklich! Schrecklich! Meiner ängstlichen Ahndung eilt schon die unglückseligste Erfüllung nach! Zum Sekretär mit einem Blick voll Verachtung. Suchen Sie etwa den Präsidenten? Er ist nicht mehr da.


WURM. Jungfer, ich suche Sie.


LUISE. So muß ich mich wundern, daß Sie nicht nach dem Marktplatz gingen.


WURM. Warum eben dahin?


LUISE. Ihre Braut von der Schandbühne abzuholen.


WURM. Mamsell Millerin, Sie haben einen falschen Verdacht


LUISE unterdrückt eine Antwort . Was steht Ihnen zu Diensten?


WURM. Ich komme? geschickt von Ihrem Vater.


LUISE bestürzt. Von meinem Vater? - Wo ist mein Vater?


WURM. Wo er nicht gern ist.


LUISE. Um Gottes willen! Geschwind! Mich befällt eine üble Ahndung - Wo ist mein Vater?


WURM. Im Turm, wenn Sie es ja wissen wollen.


LUISE mit einem Blick zum Himmel. Das noch! das auch noch! - - Im Turm? Und warum im Turm?


WURM. Auf Befehl des Herzogs.


LUISE. Des Herzogs?


WURM. Der die Verletzung der Majestät in der Person seines Stellvertreters


LUISE. Was? Was? O ewige Allmacht!


WURM. Auffallend zu ahnden beschlossen hat.


LUISE. Das war noch übrig! Das! - freilich, freilich, mein Herz hatte noch außer dem Major etwas Teures - Das durfte nicht übergangen werden - Verletzung der Majestät - Himmlische Vorsicht! Rette, o, rette meinen sinkenden Glauben! - Und Ferdinand?


WURM. Wählt Lady Milford oder Fluch und Enterbung.


LUISE. Entsetzliche Freiheit! - und doch - doch ist er glücklicher. Er hat keinen Vater zu verlieren. Zwar keinen haben ist Verdammnis genug! - Mein Vater auf Verletzung der Majestät - mein Geliebter die Lady oder Fluch und Enterbung - Wahrlich bewundernswert! Eine vollkommene Büberei ist auch eine Vollkommenheit - Vollkommenheit? Nein! dazu fehlte noch etwas - - Wo ist meine Mutter?


WURM. Im Spinnhaus.


LUISE mit schmerzvollem Lächeln. Jetzt ist es völlig! völlig, und jetzt wär ich ja frei - Abgeschält von allen Pflichten - und Tränen - und Freuden - Abgeschält von der Vorsicht. Ich brauch sie ja nicht mehr. - Schreckliches Stillschweigen. Haben Sie vielleicht noch eine Zeitung? Reden Sie immerhin. Jetzt kann ich alles hören.


WURM. Was geschehen ist, wissen Sie.


LUISE. Also nicht, was noch kommen wird? Wiederum Pause, worin sie den Sekretär von oben bis unten ansieht. Armer Mensch! Du treibst ein trauriges Handwerk, wobei du ohnmöglich selig werden kannst. Unglückliche machen ist schon schrecklich genug, aber gräßlich ists, es ihnen verkündigen - ihn vorzusingen, den Eulengesang, dabeizustehn, wenn das blutende Herz am ei sernen Schaft der Notwendigkeit zittert, und Christen an Gott zweifeln. - Der Himmel bewahre mich! und würde dir jeder Angsttropfe, den du fallen siehst, mit einer Tonne Golds aufgewogen - ich möchte nicht du sein - - Was kann noch geschehen?


WURM. Ich weiß nicht.


LUISE. Sie wollen nicht wissen? - Diese lichtscheue Botschaft fürchtet das Geräusch der Worte, aber in der Grabstille Ihres Gesichts zeigt sich mir das Gespenst - Was ist noch übrig - Sie sagten vorhin, der Herzog wolle es auffallend ahnden? Was nennen Sie auffallend?


WURM. Fragen Sie nichts mehr.


LUISE. Höre, Mensch! Du gingst beim Henker zur Schule. Wie verstündest du sonst, das Eisen erst langsam-bedächtlich an den knirschenden Gelenken hinaufzuführen, und das zuckende Herz mit dem Streich der Erbarmung zu necken? - Welches Schicksal wartet auf meinen Vater? - Es ist Tod in dem, was du lachend sagst, wie mag das aussehen, was du an dich hältst? Sprich es aus. Laß mich sie auf einmal haben, die ganze zermalmende Ladung. Was wartet auf meinen Vater?


WURM. Ein Kriminalprozeß.


LUISE. Was ist aber das? - Ich bin ein unwissendes unschuldiges Ding, verstehe mich wenig auf eure fürchterliche lateinische Wörter. Was heißt Kriminalprozeß?


WURM. Gericht um Leben und Tod.


LUISE standhaft. So dank ich Ihnen! Sie eilt schnell in ein Seitenzimmer.


WURM steht betroffen da. Wo will das hinaus? Sollte die Närrin etwa? - Teufel! sie wird doch nicht - Ich eile nach - ich muß für ihr Leben bürgen. Im Begriff, ihr zu folgen.


LUISE kommt zurück, einen Mantel umgeworfen. Verzeihen Sie, Sekretär. Ich schließe das Zimmer.


WURM. Und wohin denn so eilig?


LUISE. Zum Herzog. Will fort.


WURM. Was? Wohin? Er hält sie erschrocken zurück.


LUISE. Zum Herzog. Hören Sie nicht? Zu eben dem Herzog, der meinen Vater auf Tod und Leben will richten lassen - Nein! Nicht will - muß richten lassen, weil einige Böswichter wollen; der zu dem ganzen Prozeß der beleidigten Majestät nichts hergibt als eine Majestät und seine fürstliche Handschrift.


WURM lacht überlaut. Zum Herzog!


LUISE. Ich weiß, worüber Sie lachen - aber ich will ja auch kein Erbarmen dort finden - Gott bewahre mich! nur Ekel - Ekel nur an meinem Geschrei. Man hat mir gesagt, daß die Großen der Welt noch nicht belehrt sind, was Elend ist - nicht wollen belehrt sein. Ich will ihm sagen, was Elend ist - will es ihm vormalen in allen Verzerrungen des Todes, was Elend ist - will es ihm vorheulen in Mark und Bein zermalmenden Tönen, was Elend ist - und wenn ihm jetzt über der Beschreibung die Haare zu Berge fliegen, will ich ihm noch zum Schluß in die Ohren schreien, daß in der Sterbestunde auch die Lungen der Erdengötter zu röcheln anfangen, und das Jüngste Gericht Majestäten und Bettler in dem nämlichen Siebe rüttle. Sie will gehen.


WURM boshaft freundlich. Gehen Sie, o gehen Sie ja. Sie können wahrlich nichts Klügeres tun. Ich rate es Ihnen, gehen Sie, und ich gebe Ihnen mein Wort, daß der Herzog willfahren wird.


LUISE steht plötzlich still. Wie sagen Sie? - Sie raten mir selbst dazu? Kommt schnell zurück. Hm! Was will ich denn, etwas Abscheuliches muß es sein, weil dieser Mensch dazu ratet -Woher wissen Sie, daß der Fürst mir willfahren wird?


WURM. Weil er es nicht wird umsonst tun dürfen.


LUISE. Nicht umsonst? Welchen Preis kann er auf eine Menschlichkeit setzen?


WURM. Die schöne Supplikantin ist Preises genug.


LUISE bleibt erstarrt stehn, dann mit brechendem Laut. Allgerechter!


WURM. Und einen Vater werden Sie doch, will ich hoffen, um diese gnädige Taxe nicht überfodert finden?


LUISE auf und ab, außer Fassung. Ja! Ja! Es ist wahr. Sie sind verschanzt, eure Großen - verschanzt vor der Wahrheit hinter ihre eigene Laster, wie hinter Schwerter der Cherubim - Helfe dir der Allmächtige, Vater. Deine Tochter kann für dich sterben, aber nicht sündigen.


WURM. Das mag ihm wohl eine Neuigkeit sein, dem armen verlassenen Mann - »Meine Luise«, sagte er mir, »hat mich zu Boden geworfen. Meine Luise wird mich auch aufrichten. « - Ich eile, Mamsell, ihm die Antwort zu bringen. Stellt sich, als ob er ginge.


LUISE eilt ihm nach, hält ihn zurück. - Wie flink dieser Satan ist, wenn es gilt, Menschen rasend zu machen! - Ich hab ihn niedergeworfen. Ich muß ihn aufrichten. Reden Sie! Raten Sie! Was kann ich! Was muß ich tun?


WURM. Es ist nur ein Mittel.


LUISE. Dieses einzige Mittel?


WURM. Auch Ihr Vater wünscht LUISE.


Auch mein Vater? - Was ist das für ein Mittel?


WURM. Es ist Ihnen leicht.


LUISE. Ich kenne nichts Schwerers als die Schande.


WURM. Wenn Sie den Major wieder frei machen wollen?


LUISE. Von seiner Liebe? Spotten Sie meiner? - Das meiner Willkür zu überlassen, wozu ich gezwungen ward?


WURM. So ist es nicht gemeint, liebe Jungfer. Der Major muß zuerst und freiwillig zurücktreten.


LUISE. Er wird nicht.


WURM. So scheint es. Würde man denn wohl seine Zuflucht zu Ihnen nehmen, wenn nicht Sie allein dazu helfen könnten?


LUISE. Kann ich ihn zwingen, daß er mich hassen muß?


WURM. Wir wollen versuchen. Setzen Sie sich.


LUISE betreten. Mensch! Was brütest du?


WURM. Setzen Sie sich. Schreiben Sie! Hier ist Feder, Papier und Dinte.


LUISE setzt sich in höchster Beunruhigung. Was soll ich schreiben? An wen soll ich schreiben?


WURM. An den Henker Ihres Vaters.


LUISE. Ha! du verstehst dich darauf, Seelen auf die Folter zu schrauben. Ergreift eine Feder.


WURM diktiert. »Gnädiger Herr« Luise schreibt mit zitternder Hand.


WURM. »Schon drei unerträgliche Tage sind vorüber - - sind vorüber - und wir sahen uns nicht«


LUISE stutzt, legt die Feder weg. An wen ist der Brief?


WURM. An den Henker Ihres Vaters.


LUISE. O mein Gott!


WURM. »Halten Sie sich deswegen an den Major - an den Major - der mich den ganzen Tag wie ein Argus hütet«


LUISE springt auf. Büberei, wie noch keine erhört worden! An wen ist der Brief?


WURM. An den Henker Ihres Vaters.


LUISE die Hände ringend auf und nieder. Nein! Nein! Nein! Das ist tyrannisch, o Himmel! Strafe Menschen menschlich, wenn sie dich reizen, aber warum mich zwischen zwei Schröcknisse pressen? Warum zwischen Tod und Schande mich hin und her wiegen? Warum diesen blutsaugenden Teufel mir auf den Nacken setzen? - Macht, was Ihr wollt! Ich schreibe das nimmermehr.


WURM greift nach dem Hut. Wie Sie wollen, Mademoiselle. Das steht ganz in Ihrem Belieben.


LUISE. Belieben, sagen Sie? In meinem Belieben? - Geh, Barbar! hänge einen Unglücklichen über dem Abgrund der Hölle aus, bitt ihn um etwas, und lästre Gott und frag ihn, obs ihm beliebe? - O du weißt allzu gut, daß unser Herz an natürlichen Trieben so fest als an Ketten liegt - Nunmehr ist alles gleich. Diktieren Sie weiter. Ich denke nichts mehr. Ich weiche der überlistenden Hölle. Sie setzt sich zum zweitenmal.


WURM. »Den ganzen Tag wie ein Argus hütet« - Haben Sie das?


LUISE. Weiter! Weiter!


WURM. »Wir haben gestern den Präsidenten im Haus gehabt. Es war possierlich zu sehen, wie der gute Major um meine Ehre sich wehrte«


LUISE. O schön, schön! o herrlich! - Nur immer fort.


WURM. »Ich nahm meine Zuflucht zu einer Ohnmacht - zu einer Ohnmacht - daß ich nicht laut lachte. «


LUISE. O Himmel!


WURM. »Aber bald wird mir meine Maske unerträglich - unerträglich - Wenn ich nur loskommen könnte«


LUISE hält inne, steht auf, geht auf und nieder, den Kopf gesenkt, als suchte sie was auf dem Boden; dann setzt sie sich wiederum, schreibt weiter. »Loskommen könnte«


WURM. »Morgen hat er den Dienst - Passen Sie ab, wenn er von mir geht, und kommen an den bewußten Ort« - Haben Sie »bewußten«?


LUISE. Ich habe alles.


WURM. »An den bewußten Ort zu Ihrer zärtlichen. . . Luise. «


LUISE. Nun fehlt die Adresse noch.


WURM. »An Herrn Hofmarschall von Kalb. «


LUISE. Ewige Vorsicht! ein Name, so fremd meinen Ohren, als meinem Herzen diese schändlichen Zeilen. Sie steht auf und betrachtet eine große Pause lang mit starrem Blick das Geschriebene, endlich reicht sie es dem Sekretär, mit erschöpfter, hinsterbender Stimme. Nehmen Sie, mein Herr. Es ist mein ehrlicher Name - es ist Ferdinand - ist die ganze Wonne meines Lebens, was ich jetzt in Ihre Hände gebe - Ich bin eine Bettlerin!


WURM. O nein doch! Verzagen Sie nicht, liebe Mademoiselle. Ich habe herzliches Mitleid mit Ihnen. Vielleicht - wer weiß? - Ich könnte mich noch wohl über gewisse Dinge hinwegsetzen - Wahrlich! Bei Gott! Ich habe Mitleid mit Ihnen.


LUISE blickt ihn starr und durchdringend an. Reden Sie nicht aus, mein Herr. Sie sind auf dem Wege, sich etwas Entsetzliches zu wünschen.


WURM im Begriff, ihre Hand zu küssen. Gesetzt, es wäre diese niedliche Hand - Wieso, liebe Jungfer?


LUISE groß und schrecklich. Weil ich dich in der Brautnacht erdrosselte, und mich dann mit Wollust aufs Rad flechten ließe. Sie will gehen, kommt aber schnell zurück. Sind wir jetzt fertig, mein Herr? Darf die Taube nun fliegen?


WURM. Nur noch die Kleinigkeit, Jungfer. Sie müs sen mit mir, und das Sakrament darauf nehmen, diesen Brief für einen freiwilligen zu erkennen.


LUISE. Gott! Gott! und du selbst mußt das Siegel geben, die Werke der Hölle zu verwahren? Wurm zieht sie fort.

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