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2020-01-12
1948. Eine amerikanische Douglas C-47 auf dem Weg nach West-Berlin. Die US-Piloten haben eine ungewöhnliche Ladung an Bord. Der Flieger bringt Baum-Schösslinge für den Berliner Tiergarten. Dort sind nach dem Krieg von 200.000 Bäumen gerade mal 700 stehengeblieben.
Die Sowjetunion, die den Ostteil der Stadt besetzt, will ganz Berlin und hat alle Wege in den Westteil der Stadt abgeriegelt. Die Amerikaner und Briten in den Westsektoren aber richten eine Luftbrücke ein. Alles, was die Stadt braucht, wird per Flugzeug eingeflogen.
Lebensmittel, Kohle, Rohstoffe und sogar Bäume. Alle drei Minuten donnert eine dieser Propeller-Maschinen am Flughafen Tempelhof herunter. Sie bringen täglich 3000 Tonnen Fracht.
Bürgermeister Ernst Reuter greift persönlich zum Spaten. Wiederaufforstung per Flugzeug? In Zeiten größter Not, wo selbst Lebensmittel rationiert sind? Gibt es ein Volk, das verrückter nach seinem Wald ist, als die Deutschen?
Kein Dichter, kein Psychologe wird erklären können, was das ist mit den Deutschen und ihrem Wald. Unsere Kindheit verbringen wir mit wohligem Grusel unter Bäumen. Mit Geschichten von bösen Wölfen und krummen Hexen.
Hier errichteten die Gebrüder Grimm unsere Märchenschlösser. Und wenig später wurde auch Burg Hohenzollern dort erbaut, wo die Dichter und Denker der Romantik das Herzstück deutscher Identität entdeckt hatten. Auch König Ludwigs Märchenschloss liegt natürlich im Wald. Oder die Wartburg, wo Luther einst die Bibel übersetzte. Im Wald schlugen unsere Vorfahren die mächtigen Römer.
Und 2000 Jahre später thront Hermann der Cherusker noch immer über dem Teutoburger Wald. An den Kreidefelsen von Rügen stand Caspar David Friedrich und malte uns Deutschen die Romantik ins Bewusstsein. Im Schatten der Buchen des Jasmund-Waldes.
Doch bei aller Liebe wissen wir noch immer erstaunlich wenig über das deutscheste aller Landschaftskleider: Über das unsichtbare Netzwerk der Pilze etwa. Oder die flüchtigen Moleküle, mit denen Bäume miteinander reden. Über Baumkinder, die im Grünschatten des Waldes von ihren Eltern durchgefüttert werden. Über die Chefetage des Kronendachs oder die Winzlinge der Müllabfuhr.
In einer Handvoll Walderde finden sich mehr Lebewesen als es Menschen auf der Erde gibt. Auch ganz ohne romantische Überhöhung: Der Wald steckt voller Wunder. Er ist ein eigenes Universum, in dem vieles für uns unsichtbar ist. Tag und Nacht werden Botschaften ausgetauscht.
Doch die Wesen des Waldes benutzen eine Sprache, die selbst Wissenschaftler erst nach und nach entschlüsseln. Bäume etwa ändern nachts ihren Durchmesser und ihr bioelektrisches Potenzial. Fast wie unsere Meere scheinen sie auf den Zyklus des Mondes zu reagieren.
Das Holz jedes Baumes hat seinen ganz eigenen Duft, den andere Lebewesen im Wald wahrnehmen können. Die Blätter der Bäume produzieren nicht nur Nahrung und Sauerstoff, sondern auch Nachrichten. Genau wie das Moos am Waldboden. Moose reagieren außerdem massiv auf Schadstoffe und Schwermetalle. Lange bevor andere Waldbewohner darunter leiden.
Die Laute von Tieren scheinen auch auf Pflanzen zu wirken. Sie wachsen schneller, wenn das Konzert der Vögel und Insekten anschwillt. Heute faszinieren uns die Geheimnisse des Waldes. Doch bis ins 18. Jahrhundert machte die dunkle Magie der Wälder unseren Vorfahren vor allem Angst.
Der Wald war über Jahrhunderte ein Platz, den fast niemand gerne betreten wollte. Man fürchtete ihn. Niemand mochte gerne im Wald leben. Wenn, dann lebte man am Waldrand, besuchte ihn nachts ohnehin nicht. Man glaubte wirklich an Hexen. Und dann gab es noch etwas: Der Wald galt wegen seiner schlechten, dicken Luft als ungesund.
Nicht nur wenn im Frühling der Bärlauch sprießt: Kaum etwas gilt heute so vorbehaltlos als gesund wie der Wald. Doch das hielt man für völlig abwegig, als es noch dichte Urwälder in Deutschland gab. Der Wald wurde erst zum romantischen Idyll, als immer mehr Großstädter im 19. Jahrhundert durch einen lichten Wald wie diesen wandelten.
Sie erkoren die schwindenden Wälder zum friedlichen Rückzugsort vor dem Gestank und der Hektik der wachsenden Städte. Erst mit der Verklärung der Romantiker begannen wir Deutschen, den Wald mit großer Ernsthaftigkeit zu lieben und zu schützen. Verstanden haben wir das System Wald aber noch immer nicht. Um seinen geheimen Netzwerken auf die Spur zu kommen, brauchen wir etwas Hilfe.
Diese Hunde suchen nach schwarzen Knollen, die im Waldboden verborgen sind: Trüffel. Um ihre Pilzsporen zu verbreiten, nutzen Trüffel einen Lockstoff auf Basis des Sexualhormons Testosteron. Das bringt vor allem Wildschwein-Damen dazu, sie aus dem Boden zu buddeln und zu futtern. Und nach der Verdauung im ganzen Wald zu verteilen.
Doch auch Hunde und Menschen stehen auf diesen Duft. Um Trüffel zu züchten, impfen Ludger Sproll und Ulrich Stobbe die Wurzeln von Baum-Schösslingen mit Trüffel-Sporen. Bevor sie sie in Plantagen auspflanzen. Im Wald erforschen sie das Wachsen der Trüffel in freier Wildbahn. Die Hälfte aller Trüffel weltweit kommt bereits aus Zuchtanlagen, die den Wald mehr oder weniger gut kopieren.
Man kann die Bäume im Wald nicht alle einzeln betrachten. Es ist eher wie ein großer Gesamtorganismus. Gerade über die Pilze, auch über die Trüffel, aber auch viele andere Mykorrhiza-Pilze, also Pilze, die mit den Bäumen in Symbiose leben. Das ist alles unterirdisch hier im Boden miteinander vernetzt. Da gehören Pilze dazu, Bakterien, andere Mikroorganismen. Die Pflanzen, nicht nur die Bäume, die Sträucher, die Kräuter im Boden. Es hängt alles zusammen.
Der Wald brummt geradezu vor Nachrichtenaustausch. Und zu den wichtigsten Knotenpunkten gehören die Pilze. Sie teilen sich ihr Reich mit den Wurzeln der Bäume. Und können so Kontakt aufnehmen. Was wir sehen sind nur die Fruchtkörper eines gigantischen Lebewesens, das ansonsten im Untergrund lebt. Und über das Netzwerk der Pilze haben Forscher entdeckt, dass im Wald ununterbrochen Nachrichten kursieren.
Jeder Baum hat ein internes Kommunikationssystem. Die Baumkrone spricht mit der Wurzel, der Leitzentrale im Untergrund. Die feinen Wurzelspitzen prüfen ständig den Boden auf Feuchtigkeit und Nährstoffgehalt. Bei Trockenheit schicken sie über die Wasserleitungen des Baumes hydraulische Signale nach oben. Die veranlassen die Blätter, weniger Wasser zu verdunsten. Umgekehrt empfängt die Wurzel Nachrichten von oben zu Nährstoff-Bedarf oder Schädlingsbefall.
Wie die Äste der Krone wachsen auch die Wurzeln im Boden. Doch an Botenstoffen erkennen die Wurzelspitzen, dass Verwandte in der Nähe sind. Und stellen das Wachstum in diese Richtung ein, um Artgenossen nicht in die Quere zu kommen. Um über größere Distanzen miteinander zu "reden" brauchen Bäume allerdings Verbündete: die Pilze.
Pilze spinnen ein unterirdisches Netz aus dünnen Fäden, die Kilometer lang sein können. Sie umhüllen die Wurzeln der Bäume wie ein feines Vlies. Denn hier läuft das geniale Tauschgeschäft: Der Pilz liefert dem Baum Stickstoff und Phosphor. Und bekommt dafür Zucker aus der Photosynthese.
Das Geflecht der Pilze kann ganze Wälder vernetzen. Forscher sprechen deshalb vom Wood Wide Web, dem Internet des Waldes. Bäume erfahren darüber, ob es den anderen gut geht. Oder sie Hilfe brauchen.
Und so versorgen Bäume auch den eigenen Nachwuchs. Über das Pilznetzwerk, das beide verbindet, "säugt" diese Buche regelrecht ihr Baum-Baby mit Zuckerlösung. Auch dieses Ahorn-Kind hätte sonst keine Chance.
Ohne die Kooperation zwischen Pilzen und Bäumen hätten Wälder wohl nie diese Ausmaße erreichen können. Ständige Lücken im Kronendach hätten das feuchte Binnenklima des Waldes gestört. Vielleicht hätte der deutsche Wald so manchen Klimawandel gar nicht überlebt.
Deutschland heute und vor 18.000 Jahren. Während der letzten Kaltzeit liegen zwei Eispanzer über dem Land. Wo heute Berlin liegt, sind im Eis Relikte aus grauer Vorzeit erstarrt: Bäume. Wenn wir den Gletscher dagegen verlassen: Kein einziger Baum weit und breit. Sie sind vor Jahrtausenden erfroren.
Vor 11.000 Jahren wird es wieder wärmer und das Eis weicht zurück. Ins Rhein-Tal wandern die ersten Bäume ein. Und so breitet sich mit einem Durchschnittstempo von 250 Metern pro Jahr ein Urwald aus, in dem die Eiche dominiert. Nach 3000 Jahren bedeckt er ganz Deutschland. Schon in der Jungsteinzeit schlagen die ersten Ackerbauern Rodungsinseln in den Urwald. Für Ackerflächen, aber auch, weil Holz zu allem benutzt wird: Heizen, Kochen, Häuserbauen.
Der Weg zum Holz wird schnell zu weit. Oft schon nach zehn Jahren werden die Dörfer wieder aufgegeben. Und entstehen ein paar Kilometer weiter neu. Auf den verlassenen Flächen sprießen bald junge Eichen und Buchen. Doch weil Buchen doppelt so schnell und höher wachsen, sind sie bald die Nummer eins in Deutschlands Wäldern.
Über Jahrtausende folgen die Buchen der Wanderung der Menschen. Doch der Wald wird schon jetzt, 500 Jahre vor Christus, immer intensiver genutzt. In Manching etwa, einer Industriemetropole der Kelten mit damals schon 10.000 Einwohnern. Unablässig rauchen die Feuer. Denn die Kelten verhütten Eisenerz für Waffen und Werkzeuge, die in ganz Europa gefragt sind.
Ihr Holzhunger vernichtet die Wälder ringsum. 500 Jahre später ist Deutschland nur noch zu 70 % von Wald bedeckt. Im Mittelalter wachsen die Siedlungen zu bedeutenden Städten. Wie hier Dortmund. Das lässt den Wald im Rekordtempo schrumpfen. Um 1400 auf nur noch 26 %, deutlich weniger Waldfläche als heute. Erst um 1800 zieht man die Notbremse. Und beginnt eine massive Wiederaufforstung mit schnell wachsenden Fichten.
Aus der Verlusterfahrung ist eine Liebe entstanden. Das Entscheidende ist dabei, dass die Liebe zur Natur nicht bei der ländlichen Bevölkerung entstanden ist. Die die Wälder genutzt haben zu allen möglichen Zwecken. Sondern es sind Städter gewesen, die in die Wälder gereist sind. Und den Leuten gesagt haben, wie schön sie leben.
Wälder reichen in Deutschland heute bis in unsere Städte hinein. Wie hier in München. Das Bundeswaldgesetz garantiert jedem Bürger freien Zugang. Selbst zu Wäldern in Privatbesitz. Dortmund ist stolz auf 50 % Grünfläche. Stadtwälder wie die Bolmke reichen hier bis an die City.
Frankfurts Wolkenkratzer blicken auf die grüne Lunge des Stadtwaldes hinab. Schon 1715 ließ Markgraf Karl Wilhelm sein "Karlsruhe" mitten in den Wald bauen. Im Norden liegt bis heute eine kühlende Frischluftschneise. Der Leipziger Auwald gehört zu den größten Flussauen-Wäldern Mitteleuropas. Auch Stuttgart liegt zwischen Wald und Reben. Die teuersten Wohnviertel schauen auch hier ins Grüne.
Freiburgs Stadtwald muss für 5 Mio. Besucher im Jahr gepflegt werden. Ein Forstamtsleiter hat berechnet: Einmal joggen unter Bäumen koste die Stadt rund 20 Cent. Berlins Grunewald ist der größte Stadtwald Europas. Er wurde schon 1915 für alle Zeit unter Schutz gestellt. Und im Tiergarten in Berlin Mitte stehen heute wieder 260.000 Bäume.
Das ehemalige Jagdrevier der Kurfürsten von Brandenburg ist wieder eine grüne Oase. Aus den Schösslingen, die in den Nachkriegsjahren in die zerstörte Stadt gebracht wurden, sind inzwischen stattliche Bäume geworden. Die Waldinsel mitten in der deutschen Hauptstadt erstaunt Besucher aus aller Welt. Doch kaum jemand denkt noch an die amerikanischen Piloten, die Bäume nach Berlin eingeflogen haben.
Diese Eiche dagegen steht im Grunewald. Ihr Stammumfang von fünfeinhalb Metern lässt vermuten, dass sie um die 500 Jahre alt ist. Ihre Krone hat etwa 600.000 Blätter. Wie jeden Tag hat unsere Eiche einen langen Arbeitstag hinter sich: Sie hat heute zwölf Kilo Zucker produziert, die sie nach und nach in ihr hölzernes Skelett einlagern wird.
Sie hat den CO2-Ausstoß von zwei bis drei Berliner Einfamilienhäusern aufgenommen. 400 Liter Wasser verdunstet und so viel Sauerstoff produziert, wie zehn Berliner am Tag zum Leben brauchen. Doch ihr Skelett hat auch viele Wunden. Tiere und Pilze haben ihren Stamm über Jahrhunderte als Wohnraum genutzt. Und überall Hohlräume hinterlassen. Unsere Eiche musste das ertragen. Denn sie kann bei Angriffen nicht weglaufen. Ihr Leben lang steht sie bereits am selben Fleck. Der Leuchtpunkt zeigt, wo genau.
Als sie im Jahr 1543 ihre ersten Wurzeln in den sandigen Boden steckt, ist Berlin ein beschauliches Landstädtchen. Und Kopernikus hat gerade erst entdeckt, dass sich die Erde um die Sonne dreht, und nicht umgekehrt. Ihr zuckersüßer Trieb hat Glück, denn die Hirsche übersehen ihn. Um 1600 herum mit knapp 60 wird unsere Eiche geschlechtsreif. Ein rund zehn Meter großer Baum-Teenager, der mit Dürren, Unwettern und Schädlingen zu kämpfen hat.
1618 beginnt der Dreißigjährige Krieg. Berlin verliert die Hälfte seiner Einwohner. 1806, unsere Eiche hat gerade ihren 250. Geburtstag hinter sich, zieht der Eroberer Napoleon in Berlin ein. Als die Eiche fast 300 Jahre alt ist, beginnt die Industrialisierung. Die Stadt wächst. Bäume werden gefällt. Doch nach Bürgerprotesten wird der Grunewald unter Schutz gestellt. 1916 tobt der Erste Weltkrieg. Und in Berlin sterben Tausende an Unterernährung. Unsere Eiche ist jetzt 373. 15 Jahre später pulsiert wieder das Leben.
Und immer mehr Menschen suchen Erholung im Grunewald. 1939 beginnt Deutschland den Zweiten Weltkrieg. Unablässig ziehen von Westen her die alliierten Bomberverbände über den Grunewald zur Stadtmitte. Im April 1945 kommt es hier noch zu Gefechten zwischen russischen und deutschen Soldaten. Wenig später ist Deutschland besiegt und Berlin geteilt. Als John F. Kennedy vor dem Rathaus der geteilten Stadt die berühmten Worte spricht: "Ich bin ein Berliner", ist unsere Eiche 420 Jahre alt. Ein Vierteljahrhundert später feiert Deutschland Wiedervereinigung. Und unsere Grunewald-Eiche hat 500 Jahre auf dem Buckel.
Jedes Jahr wagen Millionen Baumkinder in unseren Wäldern den Start ins Leben. Doch nur wenige werden es schaffen. Jede Buche bildet im Laufe ihres Lebens 2 Millionen Bucheckern. Statistisch betrachtet wird nur eine davon zu einem ausgewachsenen Baum. Wenn es im Wald einen Konkurrenzkampf gibt, dann unter dem Nachwuchs. Denn zum Schutz der Gemeinschaft gelingt nur den stärksten Bäumen der Vorstoß in die Chefetage des Waldes: das Kronendach.
Bei Wind schwingt hier oben jeder Baum etwas anders. Und federt so das Schwanken des Nachbarbaumes ab. Das Innere des Waldes aber wird gegen Wind und Wetter abgeschirmt. Und bleibt gleichmäßig feucht und kühl. Doch auch diese Riesen müssen irgendwann abtreten. Jeder Wald ist ein System im Übergang. Gerade deswegen gehört auch der Tod zum Wald.
Auf den ersten Blick ist es nur ein Spinnennetz. Doch es ist Teil einer Welt, die das Leben im Wald im Innersten zusammenhält. Die Schattenwelt der Spinnen und Krabbeltiere, von Pilzen und unsichtbaren Stoffwechseln. Der Kreislauf des Lebens erzeugt stets Abfall. Doch nirgendwo entsteht mehr Abfall als im Wald. Holz vermodert, Blätter fallen, Kräuter verfaulen. Ameisen etwa bauen ganze Städte aus Bio-Müll. Doch nicht nur sie. Milliarden von Organismen zersetzen hier Berge von Abfall. Und führen ihn zurück in den Kreislauf des Lebens: Als nährstoffreichen, feinsten Waldboden, den Humus.
Zu den kleinsten Müllmännern gehören die Springschwänze. Es gibt sie in zahllosen Variationen. Keiner ist aber so niedlich wie der Kugelspringer. Nur ein Zehntel Millimeter klein. Bis zu 100.000 Springschwänze leben auf einem Quadratmeter Waldboden. Und mit einer Sprungfeder katapultieren sie sich zum nächsten Abfallberg oder wandeln übers Wasser. Wie klein sie sind sieht man, wenn eine Spinne über sie hinwegkrabbelt.
180 Milliliter Humus produzieren Springschwänze jedes Jahr pro Quadratmeter Waldboden. Und die Springschwänze sind ja nicht allein. In einer Handvoll Walderde stecken mehr Lebewesen als es Menschen auf der Erde gibt. Sie alle wirken auf den Boden ein und arbeiten ihn für die Bäume auf. In der Hoffnung auf neuen Müll.
Im Zeitraffer ahnt man, wie schnell die Armee der Müllmänner organische Reste zersetzt. Auch im Untergrund geht der Leichenschmaus weiter. Hier lebt eine fast farblose Variante der Springschwänze. Auch sie verdauen organische Reste. Und erzeugen so neue Nährstoffe für die Waldgemeinschaft.
In einem Eichenwald bei Rhinow im brandenburgischen Havelland sind Eichenprozessionsspinner eingefallen. Forscher der Universität Göttingen wollen herausfinden, wie die Bäume sich bei solchen Attacken warnen. Und welche "Sprache" sie benutzen. In mühseliger Kleinarbeit sammeln die Forscher Gase. Denn sie glauben, dass die Bäume flüchtige Kohlenstoff-Verbindungen erzeugen. Duftbotschaften, die die Nachbarn im Wald warnen.
Ihren Namen haben die Eichenprozessionsspinner, weil sie wie bei einer Prozession immer in einer Reihe kriechen. Sie fressen das frische Grün der Eichen, bevor sie sich im Juli in einen Nachtfalter verwandeln. Die feinen Haare der Plagegeister können bei Menschen allergische Schocks und Asthmaanfälle auslösen. Daher die Schutzanzüge der Forscher.
Früher starben die empfindlichen Raupen meist im wechselhaften Aprilwetter. Seit bei uns die Durchschnittstemperaturen steigen, überleben sie bis zum Blattaustrieb. Auf den Dauerangriff reagieren die gestressten Bäume mit dem Aussenden von Duftstoffen. Die versuchen die Forscher, einzufangen und zu analysieren. Schädlings-Attacken eignen sich für die Sprach-Forschung besonders gut. Denn dabei haben Wissenschaftler überhaupt erst entdeckt, dass Bäume miteinander sprechen.
Man hat Experimente gemacht, wo man diesen Fraß simuliert hat. Indem man einen Baum geschädigt hat, ihm die Blätter abgeschnitten hat, und siehe da: Nicht nur dieser Baum reagierte mit der Produktion dieser Abwehrstoffe, sondern auch die Nachbarn, die gar nicht geschädigt worden sind. Das heißt die Bäume müssen in der Lage sein, sich auszutauschen, diese Informationen weiterzugeben.
Allein im Rhinower Eichenwald wurden 300 verschiedene "Vokabeln" eingefangen. Weltweit sogar 2000 "Baum-Worte". So wie wir in Lauten sprechen, benutzen Bäume offenbar unterschiedliche Varianten von Kohlenstoffverbindungen. Sie sind so klein, dass es fast unmöglich ist, ihr reales Erscheinungsbild in einer Animation sichtbar zu machen. Auch unsere Berliner Eiche spricht mit ihren Nachbarn im Grunewald. Je mehr Moleküle die Forscher einfangen, desto besser hoffen sie, den Wald zu verstehen.
In Nadelwäldern trudeln manchmal so viele antibiotisch wirkende Duftstoffe, dass die Luft dort nahezu keimfrei ist. Und auch wenn wir sie bewusst nicht wahrnehmen: Es könnte sein, dass wir Menschen auf die Botschaften der Bäume reagieren. Shaqui Schuricht, Fitness-Trainer aus Berlin, trainiert mit seinen Kunden nicht im Studio. Er geht in den Grunewald. "Nature Athletes" heißt sein Trainings-Camp. Und der Name ist Programm. Shaqui trainiert seine Kunden an Holzstämmen oder lässt sie unter Bäumen laufen. Hinterher seien alle "irgendwie weichgespült".
Mit mobilen EKG-Geräten und Blutdruckmessern untersucht Umweltmedizinerin Daniela Haluza genau diese Auswirkungen des Waldes auf Probanden. Weltweit beschäftigen sich Wissenschaftler mit diesem Thema. In Japan gilt "Shinrin-yoku", "Waldbaden" offiziell als Therapie. Wald auf Rezept sozusagen.
Ein Immunologe wies sogar nach, dass "Waldbäder" Depressionen lindern. Denn im Wald produzieren unsere Gehirne verstärkt Wohlfühl-Hormone, die unsere Stimmung aufhellen. Die Stress-Hormone dagegen sinken. Selbst der Anblick von grünen Bäumen auf Fotos oder in diesem Film etwa reicht schon aus, um ruhiger zu werden. Im Wald wird zudem unser Immunsystem angeregt. Ein Effekt, der bis zu sieben Tage nach einem Wald-Aufenthalt anhält.
Die Liebe des Menschen zur Natur und zum Wald ist erblich bedingt. Wir fühlen uns im Wald deswegen so wohl, weil wir von der Evolution dazu angehalten worden sind, Schutz zu suchen. Wenn wir Grün sehen, fühlen wir uns geborgen. Der Blutdruck sinkt bei einem Waldaufenthalt. Und zeigt uns, dass eine Stressreduktion stattgefunden hat, nachdem man im Wald war. Dafür reichen auch schon zehn Minuten von einem gemütlichen Waldspaziergang. Man kann sagen, dass wir gesünder aus dem Wald herauskommen, als wir in den Wald hineingehen.
Durch die hohe Luftfeuchtigkeit und die flüchtigen Substanzen hat Waldluft zudem eine andere elektrische Ladung als Stadtluft. Sie enthält deutlich mehr Sauerstoff. Beides ist ebenfalls gut für unsere Gesundheit. Der Sauerstoff entsteht durch das Wunder der Photosynthese. Dass wir überhaupt Luft zum Atmen haben, verdanken wir Pflanzen wie unserer Eiche. Denn sie stellen aus Licht, Luft und Wasser Traubenzucker her. Und als Abfallprodukt Sauerstoff.
Das Wunder geschieht in diesen rundlichen Mini-Kraftwerken in den Zellen ihrer Blätter: den Chloroplasten. In ihrem Inneren stapeln sich Scheibchen der Substanz, die den Blättern ihre Farbe gibt: Chlorophyll. Wie Stapel grüner Pfannkuchen schwimmen sie in der Zellflüssigkeit. Und wie eine Solarzelle absorbieren diese Mini-Kraftwerke die Energie des Lichts. Und laden damit Elektronen in ihrem Inneren auf. Das wiederum löst ein Energiegewitter aus, das alles durcheinanderwirbelt. Die Wassermoleküle der Zellflüssigkeit verbinden sich dadurch mit dem Kohlendioxid aus der Luft. Das ständig durch die Spaltöffnungen der Blätter hereinströmt. Aus sechs Wasser-Molekülen und sechs Molekülen CO2 entsteht Traubenzucker. Das heißt: pure Energie.
In Flüssigkeit aufgelöst wird dieser Zucker aus den Blättern in alle Teile des Baums geleitet. Besonders viel in die Wurzeln, wo er für Notzeiten gespeichert wird. Der Rest wird direkt verbraucht, zum Beispiel zum Wachsen. Bei der Zuckerherstellung entsteht allerdings ein Abfallprodukt, das durch die Blattspalten entsorgt wird: Sauerstoff.
Bäume produzieren besonders viel davon, weil jeder Baum hunderttausende Blätter ins Licht reckt. Und jedes grüne Blatt produziert das, was Menschen und Tiere zum Leben brauchen: Luft zum Atmen und Nahrung. Pflanzen nutzen lediglich ein Prozent der Sonnenenergie, die die Erde erreicht. Doch das reicht, um den Planeten am Leben zu erhalten. Und es füllt jeden Wald mit Köstlichkeiten. Und uns verschafft es unsere Luft zum Atmen.
Vor 3,5 Milliarden Jahren war die Atmosphäre der Erde ein giftiges Gemisch aus Wasserstoff, CO2 und Schwefelgasen. Dann entdeckten Algen die Photosynthese. Erste Pflanzen gingen an Land und erhoben sich zu Bäumen. Sie wandelten CO2 in Sauerstoff um. So erst entstand die Luft, die wir atmen können. Und die Ozonschicht, ohne die uns die UV-Strahlen der Sonne buchstäblich grillen würden.
Auch das Grün des Waldes ist übrigens ein Abfallprodukt. Nämlich genau der Anteil im Farbspektrum des Lichts, den das Chlorophyll nicht verarbeiten kann. Und genau auf dieses Grün sprechen unsere Gehirne seit Jahrtausenden an. Wälder bedeuten für uns Leben. Überall in Deutschland, wo Krieg und Not Wälder zerstört hatten, wurden damals neue Bäume gepflanzt.
Man war der Meinung, dass das Wiederaufforsten eine positive Wirkung hat auf das Bewusstsein der Menschen. Wir pflanzen Bäume, das heißt ja: Wir denken an eine Zukunft. Bei aller Vergänglichkeit: Viele Bäume leben mühelos fünf Mal so lang wie jeder von uns. Heute wissen wir: Bäume sind soziale Wesen. Sie pflegen Beziehungen und gehen Partnerschaften ein. Vielleicht wachsen sie in großen Gruppen, um Trost und Schutz zu suchen. Vielleicht dient das alles aber auch nur dem Überleben der eigenen Art. Und vielleicht verstehen wir eines Tages sogar die Sprache der Bäume.
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