德语助手
2022-04-15
Katar - Es ist das erste Mal seit zwei Jahren, dass ich zurück im Golfstaat bin.
Einem der reichsten Länder der Welt.
Was hat sich knapp ein Jahr vor der Fußball-Weltmeisterschaft getan?
Die Stadien sind so gut wie fertig.
Katar möchte der Welt bei der WM schöne Bilder liefern – eine Fassade.
Aber hat sich die Menschen- und Arbeitsrechtslage für die über zwei Millionen Gastarbeiter im autokratisch regierten Land verbessert?
Ein Überwachungsstaat ohne Presse- und Meinungsfreiheit.
Ist der sogenannte Reformprozess und die neuen Arbeitsgesetze nur Teil einer PR-Strategie?
Vor wenigen Wochen berichtete ich über interne Chat-Nachrichten aus den Reihen des katarischen WM-Organisationskomitees.
Diese Nachrichten legen die Vermutung nahe, dass Berichterstattung über Arbeitsbedingungen auf WM-Baustellen verhindern werden wollte.
Er hatte das brisante Material herausgegeben: Abdullah Ibhais.
Bis vor kurzem Kommunikationsdirektor beim WM-Komitee.
„In vielen Fällen ging es nur um PR-Strategie.
Das die Welt positiv auf Katar blicken würde.
Wir waren dazu da, diese Strategie zu kommunizieren – unabhängig davon, wie schlecht es WM-Bauarbeitern wirklich ging."
Alles nur eine Show?
Das WM-Organisationskomitee in Katar streitet die Vorwürfe kategorisch ab.
2019 bin ich verdeckt nach Katar eingereist und habe massive Ausbeutung dokumentiert.
Abgenommene Reisepässe und verspätete Gehaltszahlungen von bis zu acht Monaten.
Die FIFA musste erstmals zugeben, dass auch auf WM-Baustellen gegen internationale Arbeitsstandards verstoßen wurde.
Dieses Mal bin ich offiziell als Journalist angemeldet.
Auf Einladung vom WM-Organisationskomitee bekomme ich von einem Mitarbeiter eines verantwortlichen WM-Bauunternehmens eine Führung durch eine Unterkunft für Bauarbeiter.
„Voller Stolz kann ich sagen, dass Arbeiter hier sehr gut behandelt werden".
Mir werden die Unterkünfte auch von Innen gezeigt.
Zum Beispiel die Duschen und die Sanitäranlagen.
„Wir haben ein Team, dass stündlich putzt um die Hygiene hier hoch zu halten."
Ich möchte ein Zimmer sehen.
Privatsphäre gibt es nur hinter einem Vorhang.
Das Camp wirkt gestellt.
Inklusive Anleitung zur perfekten Work-Live Balance.
Wir dürfen mit ausgewählten Arbeitern sprechen.
„Wie ist das Camp?"
„In meinem alten Camp musste ich selbst Einkaufen gehen und selber kochen.
Ich hatte häufig Ärger mit meinen Vorgesetzten.
Hier wird sich um alles gekümmert."
Auf Nachfrage zu seinem Gehalt ist er unerwartet ehrlich.
„Ich verdiene mit Zuschlägen 2.000 Riyal.
Das ist zu wenig.
Ich bräuchte das Doppelte."
2.000 Riyal sind umgerechnet knapp 500 Euro.
Immerhin das Doppelte des gesetzlichen Mindestlohns.
Aber es bleibt ein Stundenlohn von etwa 2 Euro.
Ich gehe nochmal zurück in eine Unterkunft und suche mir selbst einen weiteren Gesprächspartner.
Auch hier Klagen über das Gehalt.
„Mein Lohn ist zu niedrig.
Ich bin bei einem Subunternehmer angestellt und verdiene deshalb weniger als andere Arbeiter hier.
Ich verdiene 1.800 Riyal.
Manchmal auch mehr aber nur wenn ich keine Fehltage habe.
Ich möchte die Firma wechseln."
Trotz der vermeintlich schönen Fassade gibt es offensichtlich weiterhin unzufriedene WM-Bauarbeiter.
„Jede Firma hier zahlt den Arbeitern pünktlich ihr Gehalt.
Ja, es gibt auch unzufriedene Arbeiter.
Jeder einzelne Riyal ist für sie wichtig."
Sprechertext Für WM-Bauarbeiter gibt es zwar verbesserte Unterkünfte aber beim Thema Gehalt herrscht offenbar immer noch Frust.
Das war der offizielle Teil.
Aber was ist wenn man ohne Begleitung mit Arbeitern spricht?
WM-Stadionarbeiter machen nur zwischen ein bis drei Prozent aller Arbeiter:innen im Land aus.
Über zwei Millionen leben im Emirat.
Und Hunderttausende von ihnen hier.
In der sogenannten Industrial Area, weit weg vom Zentrum Dohas.
Mein Ziel ist ein Markt zwischen den Arbeitercamps.
Von den Einheimischen – der Abfallmarkt genannt.
Um nicht aufzufallen, drehe ich versteckt mit dem Handy.
Hier werde ich schnell fündig – ein Arbeiter aus Nepal will sich mit mir treffen.
Zu seiner Sicherheit, im Schutz der Dunkelheit, denn er will nicht erkannt werden.
Er hat Angst vor seinem Arbeitgeber.
Er erzählt mir, dass er seit neun Jahren in Katar arbeitet.
Er verlegt Wasserleitungen an der kilometerlangen Promenade im Zentrum von Doha.
Dann frage ich ihn nach seinem Gehalt.
„Nein, nein.
Seit vier Monaten bekommen ich keinen Lohn.
Ich habe kein Geld.
Seit vier Monaten – nichts."
„Seit vier Monaten kein Gehalt?"
„Nein, kein Gehalt.
Immer wieder fragen wir bei Firma nach.
Wir sind zusammen neunzig Arbeiter.
Aber jedes Mal vertrösten uns und sagen wir sollen warten."
Es zeigt uns seine abgelaufene Aufenthaltsgenehmigung.
Dadurch läuft er Gefahr abgeschoben zu werden.
Seine Firma ist für die Verlängerung verantwortlich.
Er zeigt uns Bilder seiner Familie, die vergeblich seit Monaten auf seine finanzielle Unterstützung wartet.
Da ich seine Unterkunft nicht betreten darf, ohne Gefahr zu laufen festgenommen zu werden, schickt er mir dieses Video.
Vier Mann auf engstem Raum.
Das brisante an seinem Fall: Auftraggeber für die Arbeiten auf dieser Baustelle im Zentrum von Doha, ist die katarische Regierung selbst.
Wie kann es sein, dass Regierung immer noch nicht sicherstellen kann, dass Gehälter für Gastarbeiter auf den eigenen Baustellen gezahlt werden?
Die katarische Regierung schreibt.
Rückblick.
Im April und Mai dieses Jahrs kam es zu Protesten hunderter Arbeiter, die als Sicherheitspersonal eingesetzt wurden.
Ihr Vorwurf: zu wenig Gehalt und keine freien Tage.
Ich bin verabredet mit einem Arbeiter der damals gestreikt hat.
Was hat der Protest gebracht?
Wir treffen uns in der Industrial Area.
Auch er möchte zu seiner Sicherheit nicht erkannt werden.
„Sie machen Gesetze, aber sie halten sich nicht daran.
Die Regierung verfolgt nicht, welche Firmen gegen die Gesetze verstoßen.
Es ist wie mit einer Marionette – hier wird etwas vorgespielt.
Aber wenn Du zu uns hierherkommst, dann siehst du, dass die Dinge ganz anders sind."
„Ich wollte zu einer anderen Firma gehen, aber mein Arbeitgeber weigerte sich.
Sie weigerten sich einfach.
Ich habe es mehrmals versucht.
Sie hätten mein Kündigungsschreiben abstempeln müssen.
Aber sie haben es ohne Grund abgelehnt."
Auch er sendet mir ein Video von seiner Unterkunft.
Sechs Personen in diesem Zimmer.
Feuchte, schimmlige Wände.
„Was kann ich schon tun?
Meine Probleme hört niemand.
Zwei Jahre noch, dann gehe ich nach Hause.
So läuft das Spiel."
Seit 2018 betreibt die Internationale Arbeitsorganisation ILO – eine Einrichtung der Vereinten Nationen – ein Büro in Katar und soll den Reformprozess zusammen mit internationalen Gewerkschaften kontrollieren.
Der ehemalige Büroleiter hatte die Reformanstrengungen des Landes immer wieder gelobt.
Schauen Sie sich die Ergebnisse an und schauen Sie sich die Nachbarländer an, in denen es diese Art von Zusammenarbeit nicht gibt.
Dort existiert weiterhin das Kafala-System.
Hier sprechen die Ergebnisse alle für sich."
Der Nachfolger sieht die Lage nun kritischer: Das ausbeuterische Kafala-System existiert trotz Reformgesetzen weiter.
„Das Kafala-System wurde nicht abgeschafft.
Die problematischsten Aspekte wurden abgebaut.
Es gibt aber weiterhin Lücken bei der Umsetzung der Reformen des Kafala-Systems.
Zum Beispiel beim Arbeitsplatzwechsel oder bei der Zahlung des Mindestlohns.
Wir bekommen täglich Klagen von Arbeitern.
Sie erzählen uns, dass ihnen Deportation angedroht wurde.
Das Arbeitgeber die Ausweispapiere der Arbeiter nicht verlängern oder das Zwangszahlungen angedroht werden, wenn Arbeiter den Arbeitsplatz wechseln möchten.
Diese Art von Vergeltungsmaßnahmen erleben wir hier regelmäßig."
„Warum werden die Gesetzte nicht angewendet?"
„Es ist offensichtlich, dass Teile der katarischen Gesellschaft gegen diese Reformen sind.
Sie ablehnen und sogar Widerstand leisten.
Man möchte das Kafala-System nicht ändern, sondern es komplett beibehalten.
Daher werden die neuen Gesetze nur lückenhaft umgesetzt.
Firmen legen Widersprüche vor dem Arbeitsgericht ein und ziehen Anträge zum Arbeitsplatzwechsel von Arbeitern unnötig in die Länge.
Somit gibt es diverse Gründe warum die Gesetze nicht angewendet werden.
Trotzdem profitieren viele Arbeiter von den Reformen."
Die ILO will über die WM hinaus im Land bleiben.
Flughafen Kathmandu in Nepal.
Seit Vergabe der WM sind tausende junge Gastarbeiter beim Bau der WM-Infrastruktur gestorben und im Sarg zurückgekehrt.
Die britische Zeitung Guardian schrieb vergangenen Februar von über 6.500 toten Arbeitern.
Häufige Todesursache: „plötzlicher Herztod".
Die katarische Regierung widersprach dieser Zahl nicht – ergänzte, dass die Sterblichkeitsrate im betrachteten Zeitraum im erwartbaren Bereich liege.
Laut WM-Organisationskomitee sind auf WM-Baustellen drei Arbeiter gestorben.
Um mehr vor Ort in Katar über Todesfälle und das Gesundheitssystem für Gastarbeiter zu erfahren, treffe ich mich mit Ärzten und drehe mit versteckter Kamera.
Einen Arzt empfange ich in meinem Hotelzimmer.
„Arbeiter kamen zu mir und machten sich Sorgen, da Zimmerkollegen im Schlaf gestorben sind.
Und sie nicht wüssten warum.
Warum wird plötzlicher Herztod als Todesursache angegeben?
Jeder Medizinstudent weiß, dass man das nicht als Todesursache angeben sollte.
Todesfälle müssen hier untersucht werden – auch die Angehörigen müssen doch wissen, woran ihre Familienmitglieder verstorben sind.
Im August veröffentlichte Amnesty International, dass Katar routinemäßig Totenscheine für Gastarbeiter ausstellen würde, ohne angemessene Untersuchungen zu Todesursachen durchzuführen.
Stattdessen würden die Todesfälle auf „natürliche Ursachen" oder vage definierte „Herzfehler" zurückgeführt.
Laut Bericht könnte die Quote der ungeklärten Todesfälle bei fast 70 Prozent liegen.
Die katarische Regierung widerspricht: Unfall- und Sterbestatistiken entsprächen internationalen Standards.
Der Menschenrechtsexperte Nicholas McGeehan hat an dem Bericht mitgearbeitet.
„In Katar sollte die Todesursache von Gastarbeitern systematisch durch Ermittlungen untersucht werden.
Und wenn das zu keinem Ergebnis führt, dann sollte ein Gerichtsmediziner diese Untersuchung durchführen.
Das Problem ist, dass zu wenig politischer Druck auf Katar ausgeübt wird.
Es scheint so, dass die Behörden in Katar nicht wissen, woran eine erhebliche Anzahl an Gastarbeiter:innen gestorben sind.
Das hängt damit zusammen, dass Untersuchungsverfahren nicht vorhanden sind und dass möglicherweise versucht wurde, Todesursachen zu verschleiern."
Der anonyme Arzt gibt weitere Einblicke: Firmen würden ihn unter Druck setzen, erzählt er.
„Ich verspüre Druck von Firmen, keine Krankmeldungen zu erteilen.
Sie schicken E-Mails, und fragen, warum ich ihren Arbeitern Krankmeldungen gegeben haben.
Erst vor kurzem bekam ich eine E-Mail von einer Firma."
„Zu hören, dass ein Arzt von Unternehmen unter Druck gesetzt wird, Arbeitnehmern nicht die Ruhe zu gewähren, die sie für die Rehabilitation benötigen, und sich von potenziell sehr ernsten sich anhäufenden Gesundheitsrisiken zu erholen.
Auch hier ist es einfach furchtbar alarmierend und bietet ein Bild, bei dem die Gesundheit der Arbeiter nicht berücksichtigt wird."
Über meine Recherchen hätte ich auch gerne mit WM-Chef Hassan Al Thawadi gesprochen.
Ein in Aussicht gestelltes Interview kommt nicht zu Stande.
Ich werde lediglich zu einem Hintergrundgespräch mit seinen Mitarbeitern gebeten, aus dem nicht zitiert werden darf.
Transparenz sieht anders aus.
Abdullah Ibhais konnte ich in Katar weder sprechen noch sehen.
Er sitzt im Gefängnis, vor wenigen Tagen zu drei Jahren Haft verurteilt.
Im Rahmen eines Marketingauftrages wurde ihm unter anderem Missbrauch von Geldern vorgeworfen.
Er beteuert seine Unschuld.
Menschenrechtsorganisationen forderten nach Durchsicht der Gerichtsunterlagen einen neuen fairen Prozess.
Sein Geständnis soll erzwungen worden sein.
„Es zeigt auch unter welchem Druck Katar steht.
Welche Angst Katar hat vor den möglichen weiteren Aussagen dieses Mannes, dass man verhindert, das er einen fairen Prozess bekommt.
Man möchte ihn lieber einsperren, wegsperren und dadurch mundtot machen."
Knapp ein Jahr vor dem Beginn der Fußball-WM in Katar wird weiter versucht, das Bild des Gastgebers in glänzendes Licht zu tauchen.
沙发还没有被抢走,赶紧过来坐会吧