德语助手
2018-03-01
Wenn wir uns den Kapitalismus als einen Zaun vorstellen, gilt es, überall Löcher hineinzuschneiden.
Ihr wolltet, dass wir uns mit politischen Utopien beschäftigen.
Tobi hat eine – und den treffe ich jetzt.
"Willkommen in der Liebermenschgemeinschaft"
Hallo! – Hi!
Bist du Tobi? Hi!
"Wie schön, dass du da bist" steht hier gleich – da fühlt man sich doch direkt willkommen.
Wie viele Leute wohnen denn eigentlich hier?
Ja, so zehn plus minus ein paar. . .
Wie unterscheidet sich dein Leben jetzt auf den ersten Blick von meinem?
Wir haben eine gewisse Wertebasis: der Raum hier ist vegan, drogenfrei – also bis auf Kaffee –
aber Alkohol, Tabak oder andere Konsumgüter, die Drogen sind, sind hier nicht so gerne gesehen.
Wir haben hier auch einen Gemeinschaftsschrank.
Und wie funktioniert das jetzt hier?
Im Grunde funktioniert es so: Es gibt zwar Menschen, die auch noch kleinere Kommoden für sich haben.
Aber der größte Teil wird eigentlich gemeinschaftlich genutzt.
T-Shirts, Hosen, Röcke und weiteres wie Jacken . . .
Ich habe meine kleine Unterhosen-Box und meine Strümpfe-Box, mehr nicht.
Und wenn ich merke: Ah cool, der Rock gefällt mir, dann ziehe ich den Rock an.
Wir haben 40-70 Kleidungsstücke, die wir pro Person pro Jahr neu konsumieren. Das entspricht 12-14 Kilo Stoff.
Wenn nicht alle einen Rießen-Schrank hätten . . .
Weil das ist eine Größe, die hat wahrscheinlich eine Person für sich alleine, so im Durchschnitt.
Wo ich immer denke: Wieso?
Können wir nicht Vorhandenes gemeinschaftlich sinnvoll nutzen und uns kollektiv besser organisieren?
Heißt "solidarisch" auch, dass du mehr abgibst oder mehr an andere denkst?
Das kann es und sollte es meines Erachtens auch heißen.
Wir haben aktuell für 12 Milliarden Menschen genug zu essen.
Bei 8 Milliarden Menschen, die wir höchstens gerade sind. Da blieben 4 Milliarden zu ernähren locker möglich.
Und trotzdem hungert gerade knapp 1 Milliarde Menschen.
Jetzt wäre die Frage: Wie schaffen wir nicht weiter Nachfrage, Wachstum und so weiter,
sondern nutzen das, was eh weggeworfen wird.
Ah, das steht hier schon bereit! Soll ich irgendwas tragen?
Und wo gehen wir jetzt raus?
Wir gehen an der Kasse einfach raus, sagen noch mal Hallo.
Dann herzlichen Dank und schönen Tag noch! – Euch auch! Danke! Tschüss!
Gehst du irgendwas noch einkaufen oder kaufst du gar nichts mehr?
Ich kaufe gar nichts mehr. Meine einzige Ausgabe ist solidarisch 500 Euro für die Warmmiete als Beitrag.
Weil ich das einfach gerade habe.
Gibt es in deiner Utopie, in deiner Wunschwelt, eigentlich überhaupt noch Supermärkte?
Ich glaube, es bräucht sie nicht. Es bräuchte im Grunde nur Verteilerpunkte, wo sich Menschen
ihr Obst, Gemüse, Holz oder was auch immer abholen können.
Der "Fair-Teiler" – was ist das?
Hier kommt das hin, was wir selbst nicht mehr essen können.
Hier sind noch ein paar Radieschen und Rosenkohl.
Wer genau kommt und holt sich hier Sachen ab?
Vor allem NachbarInnen, die in der Umgebung sind.
Dann posten wir es über die sozialen Medien, so dass Menschen wissen, hier liegt gerade was.
Du sagst jetzt auch "NachbarInnen" – das machst du ja sehr bewusst, oder?
Das geht ein bisschen in das "solidarisch" mit rein, weil wir noch immer
in einer patriarchalen Gesellschaft leben.
Wie können wir da mehr Gleichberechtigung schaffen, mehr Menschen ansprechen.
Und auch die Menschen, die sich vielleicht nicht Mann und Frau zuordnen möchten, zu benennen.
Du benutzt auch immer sehr viele sehr positive Verben. Du sagst nie "müssen"!
Das ist mir schon aufgefallen: "Wir können jetzt gleich den Salat putzen"
Ich glaube, sobald das dürfen, können oder möchten zu einem müssen oder sollen wird,
ist da Zwang drin und da habe ich keinen Bock drauf.
Wenn du ein Fan der Freiwilligkeit bist, wie hältst du es dann mit Parteien, die z. B.
einen vegetarischen Tag pro Woche verlangen?
Ich halte allgemein nichts von von oben herab öko-diktatorisch irgendetwas erzählt und durchgesetzt.
Per Gesetz noch verordnet.
Es geht darum, im Bewusstsein der Menschen von unten zu gucken: Wie kann ich mein Leben anders gestalten?
Was wäre dein Lieblings-Politisches-System?
Wieso braucht es ein politisches System? Das wäre doch die spannende Frage.
Können wir nicht versuchen, frei von Herrschaft, also vielleicht eher anarchistisch, zu leben?
Naja, aber wenn wir jetzt mal eine sehr praktische Frage nehmen:
Die Bundesrepublik Deutschland hat auch das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit.
Das ist ja eigentlich ein ganz schönes Prinzip.
Es gibt ja auch manchmal ein paar böse Menschen – wie gehst du mit denen um, wenn es eine Anarchie gibt?
Erstmal möchte ich klarmachen: Die Herausforderung ist, dass wir Nationen und Staaten haben.
Die zweite Frage ist: Wie gehen wir mit Menschen um, die destruktiv handeln?
Aktuell sperren wir sie einfach weg in Knäste.
Nach dem Motto: Endlich sind sie sanktioniert und hoffentlich kommen sie dann besser raus als vorher.
Das stimmt allerdings nicht und glücklicherweise merken wir immer wieder . . .
Foucault konnte damals sagen: Eigentlich sind Knäste die Universitäten des Verbrechens.
Weil da erst wirklich geschult wird, wie Kriminialität funktioniert.
Zu Beginn sind es nämlich meist Eigentumsdelikte. Das ist ganz spannend.
Es gibt einen Unterschied zwischen Arm und Reich. Denn der Reiche wird nie auf die Idee kommen,
Essen stehlen zu müssen. Sich das mal klar zu machen, ist doch ganz spannend.
Und klar, wird es immer noch Menschen geben, die destruktiv handeln.
Aber wenn wir da angekommen sind, haben wir viel geschafft.
Wie lange wohnst du schon hier?
Seit September.
Und wie bist du darauf gekommen?
Ich habe Tobi mal eine Mail geschrieben, weil ich hier ein Praktikum machen wollte.
Dann war ich hier 2 Wochen Teilzeitaktivistin . . .
Also anstatt ein Praktikum zu machen bist du gleich hier eingezogen?
Gibt's eigentlich jemanden im Haus, der auch einen "9-to-5-Job" hat?
Und irgendwo hingeht zum Arbeiten oder gibt's das nicht?
Also, manche studieren . . .
Aber ansonsten geht hier keiner einer fremdbestimmten, sinnentleerten Lohnarbeit nach.
Das ist der Raum, den wir uns zu dritt teilen.
Ah, "Kollektivzimmer" ist der Raum, in dem ihr zusammen schlaft. – Genau.
Wir haben hier auch so eine Sonne gemacht – aber da sind wir gerade noch dabei . . .
"Komm rein!" oder "Ich brauche Ruhe" . . .
Und was ist das hier?
Das sind so Briefschläge, wo wir uns gegenseitig – Oh cool, ich habe einen Brief bekommen!
– wo wir uns Briefe schreiben können, wenn wir Lust haben.
Hier steht: "I like Kuscheln" – Kuschelt ihr dann auch alle zusammen?
Wenn Menschen Lust haben zu kuscheln, können sie das gerne machen. Sie können auch lesen oder tanzen.
Passt es gerade für dich, Nadine?
Herzlich Willkommen im "Co-Wupping-Space"!
An was arbeitest du gerade?
Wir hatten hier eine Yogalehrer-Ausbildung. Die habe ich geleitet.
Oder die Räume kreiert. Und jetzt kreiere ich gerade die Theorieprüfung.
Wir lassen euch wieder weiterarbeiten.
Hier arbeitet kein Mensch. Der Arbeitsbegriff ist sehr kritisch zu sehen.
Hier haben wir unser Good-Old-Telefon: so alt wie das Haus, aber leider nicht telefonkonferenzgeeignet.
Ihr habt auch einen Gemeinschaftsplan: Anti-AfD-Demo in Koblenz, was macht ihr da?
Da gibt es einige, die die Priorität darauf setzen zu sagen: Hey Leute, das kann nicht sein,
dass so ein unglaublicher rechter Ruck in der Gesellschaft da ist.
Und da etwas dagegen getan werden muss.
Sei es eine Blockade, sei es, zu versuchen, in den Diskurs zu kommen.
Blockade klingt jetzt aber nicht so solidarisch.
Ich finde es ist sehr solidarisch, irgendwann auch mal zu sagen: Leute, das geht so nicht weiter!
Weil alles, was ihr da tut, ist unglaublich ekelhaft, unsolidarisch und unsozial.
Und dann ist es supersolidarisch, zu sagen:
Ich möchte versuchen, andere Wege zu gehen oder auch mal zu blockieren.
Zu sagen: so geht es nicht!
Welche Erfahrungen hast du damit gemacht?
Spannende. Meistens, dass die exekutive Staatsgewalt gerne die weiterhin unterstützt und die Menschen,
die sagen hey, uns liegt die Zukunft am Herzen, mit sehr vielen Repressionen manchmal niederknüppelt.
Also übersetzt: Die Polizei hat euch weggetragen?
Ja, oder weggeknüppelt oder was auch immer.
Und es hat nicht geklappt, dass du dabei mit Leuten von der AfD gesprochen hast?
In anderen Aktionen hat das schon funktioniert, doch.
Und fragst du die dann auch nach ihren Bedürfnissen?
Klar! Und die werden dann auch . . .
Logisch, dass sie dann denken: Mir geht es angeblich so schlecht –
dann liegt es daran, dass es den Leuten neben mir besser geht.
Oder sie gerade reinkommen und mir etwas wegnehmen wollen vom großen Kuchen.
Und denen klarzumachen, es geht nicht um ein paar Krümelchen und auch nicht um den kleinen Kuchen,
sondern um die Bäckerei und da mal versuchen neue Wege zu gehen, ist ein längerer Prozess auf jeden Fall!
Weil die Menschen relativ vereinfachten Theorien aufsitzen.
Würdest du sagen, ihr seid eher links?
Unbedingt.
Was heißt das für dich?
Im Grunde den vier Motiven zu folgen, was auch ökologisch links meinen könnte.
Und gleichzeitig klarzukriegen, dass es nicht darum geht, zwischen Kapitalismus und
Anti-Kapitalismus eine Dualität aufzubauen.
Der Anti-Kapitalismus wird meist assoziiert mit Kommunismus oder Sozialismus.
Und dann haben alle gleich wieder Angst! Deswegen versuche ich gar nicht, in diesen beiden Binaritäten
zu denken, sondern ich sage: Es gibt noch so viel drum herum, wie wir uns organisieren können.
Umsonstökonomisch. Beitragsökonomisch. So wie wir es hier versuchen.
Deswegen will ich gar nicht anfangen mit links, linke PolitikerInnen, die sagen, es soll wieder
Kommunismus oder Sozialismus herrschen.
Du willst ja sowieso nicht in die Politik . . . – Exakt!
Dürfen wir das Tonstudio zeigen?
Du hast hier auch ein Bett drin – schläfst du hier auch?
Ja . . . (Musik)
Weil du so viel Musik machst?
Ja genau, Musiker sind ja immer so ein bisschen nachtaktiv.
Und deshalb ist es ganz gut, dass hier auch ein Bettchen ist.
Und dann sind auch immer ganz viele Leute von außerhalb hier, deswegen passt das ganz gut,
dass hier auch ein bisschen Musik gemacht wird.
(Tobi:) Jetzt wird der Song weltberühmt!
Ja, jetzt erst!
Du hast den Kapitalismus schon angesprochen – Bist du ein Feind des Kapitalismus?
Ich bin auf jeden Fall kein Freund von Systemen, die ausbeuterisch und leidverursachend unterwegs sind.
Und das ist der Kapitalismus ganz klar.
Wenn wir uns den Kapitalismus als einen Zaun vorstellen, gilt es, überall Löcher hineinzuschneiden und
andere Wege zu finden, wie wir uns organisieren können.
Gibt es überhaupt keine Politiker in Deutschland, die du gut findest?
Nicht dass ich wüsste. Würde ich die SPD wählen, wähle ich Kriegstreiberei – genauso wie bei den Grünen.
Die Linke hat sich gerade ein bisschen davon abgesetzt, aber wenn ich Sahra Wagenknecht höre . . .
Was macht die mit den Geflüchteten? Wer nicht . . . verwirkt auch sein Gastrecht . . .
Hallo? Leute, geht's noch?
Uäh – Da will ich nichts davon wählen, das ist ekelhaft.
Du gehst im September gar nicht wählen.
Das ist meines Erachtens nicht sinnvoll.
Ich möchte hier und jetzt Verantwortung übernehmen bedeutet wirklich konkret zu sagen:
Es gilt, jetzt die Welt zu verändern!
Das Problem ist, dass wir oft denken: Ich habe eigentlich mein Bestes getan, ich arbeite
ganz fleißig und ich wähle alle vier Jahre das geringere Übel.
Aber nur die allerdümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber.
(Lisa:) Aber dann müsstest du wirklich selbst Politiker werden.
Nee, eben nicht! Weil die Systematik als Solches schon dumm ist!
Ds ist doch dumm, dass ich sagen kann: Ich habe so tolle Ideen, jetzt wählt mich!
Und dann werdet ihr dafür belohnt – mich würde eh kein Mensch mit meinen radikalen Ideen wählen.
Was ich auch vollkommen verständlich finde, weil ich es von sich aus nicht sinnvoll finde.
Wir haben noch was dabei, weil wir am Ende immer allen dieselbe Frage stellen:
Was ist eigentlich los mit dir, Deutschland?
Uäh, das ist ganz schön eklig, diese Farbe allein schon, diese Flagge.
Für mich ist das Problem: Alleine das "mit dir, Deutschland"
Uäh, so emotional aufgeladen für mich persönlich voller Patriarchat, voller Patriotismus voller
irgendwelcher anderen Ekelhaftigkeiten, wo ich denke: liebe Leute, lasst uns doch mal globaler denken!
Ich kann eigentlich nur sagen: Deutschland gehört weg!
Das ist so ein komisches Konstrukt letztendlich.
Wir müssen uns klar machen, auf wessen Kosten diese 80 Millionen deutschen Menschen leben.
Also wieder sich fragen: was hat denn mein Lebenstil mit dem Rest der Welt zu tun?
Wie kann ich versuchen, möglichst leidfrei und ausbeutungsfrei zu leben? Ich bin ja als Mensch
in einem Dilemma und richte immer Leid an. Die Frage ist: Wie gering kann ich das versuchen zu halten?
Also, was sagt man jetzt nach so einem Tag mit Tobi . . .
Tobi hat natürlich sehr viele Ideen, da kann sicher auch icht etwas mitnehmen für meinen Alltag.
Aber wir haben auch sehr mit ihm darüber gestritten, ob man wählen gehen sollte und
über die Bedeutung von Demokratie. Und ich kann mir einfach nicht vorstellen,
wie so ein Zusammenleben funktionieren soll ohne jegliche Regeln.
Was sagt ihr dazu? Gibt es realistische Alternativen zum kapitalistischen System?
Oder habt ihr eine ganz andere politische Utopie? Dann schreibt uns!
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