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2021-01-27
Nike ist der weltweit führende Sportartikelhersteller, deutlich vor Adidas. Gleichzeitig ist Nike auf Platz 13 der wertvollsten Marken der Welt.
Das amerikanische Unternehmen beschäftigt über 75.000 Personen und betreibt global über 1.000 eigene Geschäfte. Der Konzern macht jedes Jahr Milliardengewinne. Einiges davon auch in Deutschland.
Grundsätzlich müsste Nike diese Gewinne versteuern. Die Idee dahinter ist simpel: Wer Ressourcen nutzt und damit Geld verdient, soll einen Teil dieses Geldes an das Gemeinwesen zurückgeben. Damit sollen dann beispielsweise Schulen, Krankenhäuser und Straßen gebaut werden. Außerdem soll sichergestellt werden, dass niemand in Armut leben muss.
Leider zahlt Nike fast gar keine Steuern. Zumindest nicht in Deutschland. Und das ist sogar legal.
Heute geht es um undurchsichtige Briefkastenfirmen, komplizierte Steuerkonstrukte, und unversteuerte Milliarden auf den Bermudas. Letztlich geht es darum, wie solche Schlupflöcher das Fundament unserer Gesellschaft untergraben.
Im November 2017 veröffentlichte die Süddeutsche Zeitung in Zusammenarbeit mit Hunderten Partnern die "Paradise Papers". Darin wurde aufgedeckt, dass etliche Konzerne, Milliardäre und sogar Politiker und Regierungschefs überall auf der Welt Steuern vermeiden.
Links zu der überragenden Recherche findet ihr in der Beschreibung. In den Paradise Papers ging es unter anderem auch um Nike. Anfang der 2000er begann der Konzern, mit der amerikanischen Rechtskanzlei "Appleby" zusammenzuarbeiten.
Nike wollte weltweit weniger Steuern zahlen, "Appleby" wusste wie. Gemeinsam entwickelten sie ein raffiniertes Modell. So gut wie alle Geschäfte von Nike innerhalb Europas werden über die Niederlande abgewickelt.
Wenn ich mir im Nike-Store in Hamburg oder einem Kaufhaus in Berlin die neuesten Jordans gönne, kauft man die Schuhe eigentlich von einer niederländischen Firma in Hilversum. In Deutschland werden also theoretisch fast keine Schuhe verkauft. Die Nike-Stores dienen nur als Vermittler. Ein großer Teil der Nike-Gewinne innerhalb Europas fließt also in die Niederlande.
Aber das ist noch nicht die Endstation. 2005 gründet Nike mehrere Firmen auf den Bermudas. Diesen Firmen überträgt Nike extrem viele Lizenzen und Markenrechte. Unter anderem auch den "Swoosh". Die Nike-Firmen auf der Inselgruppe dürfen fortan Lizenzen für das Aussehen der Schuhe verkaufen.
Der Käufer ist eine weitere niederländische Firma. In den Niederlanden werden Lizenzgebühren zu dieser Zeit nicht versteuert. Seitdem fließen Milliarden aus der EU über die Niederlande auf die Bermudas.
Hier müssen Gewinne aus dem Ausland nicht versteuert werden. In der EU bleibt ein deutlich kleinerer Gewinn übrig, weil die Lizenzgebühren so hoch sind. Die zu zahlenden Steuern sind im Verhältnis zu den eigentlichen Einnahmen wahnsinnig niedrig.
Diese Strategie hat Nike größtenteils bis 2014 verfolgt. Der Steuersatz, den das Unternehmen weltweit insgesamt auf seine Gewinne zahlt, ist so damals auf knapp 25 Prozent gefallen. Die Jahre zuvor lag er durchschnittlich bei knapp 35 Prozent.
Zeitweise wurden unversteuerte Gewinne im Wert von über zehn Milliarden US-Dollar in Steueroasen gelagert. Dabei gab es auf den Bermudas weder Nike-Fabriken, noch Nike-Stores, noch Nike-Mitarbeiter. Die Niederlande haben dieses Konstrukt von Nike mutmaßlich durch mehrere Deals begünstigt.
Die EU-Kommission hat Anfang 2019 deshalb offiziell eine Ermittlung gestartet. Darin geht es um genau diese Deals. Im Zeitraum zwischen 2006 und 2015. Die von dem Land genehmigten Lizenzgebühren würden laut EU-Kommission nicht der wirtschaftlichen Realität entsprechen.
Nike soll dadurch einen ungerechten Wettbewerbsvorteil erhalten haben. 2014 werden viele der Unternehmen auf den Bermudas plötzlich aufgelöst. Vermutlich, weil die Vereinbarungen mit den Niederlanden auslaufen. Also muss ein neues Steuermodell her, das nicht abhängig von den Bermudas ist.
Diesmal bekommt Nike auch Hilfe: von der amerikanischen Kanzlei "Baker McKenzie". In den Niederlanden wird eine neue Firma namens "Nike Innovate" gegründet. Dieses Unternehmen tritt an die Stelle der Bermudas. Ab jetzt werden die Lizenzen dort gehortet. Das Geld fließt fortan aus dem EU-Ausland in die bestehenden niederländischen Firmen und von dort über Lizenzgebühren in die Nike Innovate.
Das Besondere an der Nike Innovate ist die Art der Firma. Sie ist nämlich eine sogenannte "Commanditaire Vennootschap", kurz "CV". Und diese Art von Firma wird in den Niederlanden nicht besteuert. Besteuert wird nur ihr General Partner,
also quasi ihr Besitzer. Folgt man den Besitzern der Nike Innovate CV, findet man zunächst einen Haufen weiterer CVs. Der finale Besitzer dieser Kette an Firmen sitzt in den USA und heißt "Nike Holding", eine Tochter der Hauptfirma "Nike Incorporated".
Aus Sicht der USA sind die CVs Tochterunternehmen von Nike im Ausland und damit in den Niederlanden steuerpflichtig. Aus Sicht der Niederlande ist der General Partner in den USA steuerpflichtig. Dadurch zahlt Nike einfach in keinem dieser beiden Länder Steuern. Das freut Nike. Der Steuersatz fällt von 2014 bis 2017 bis auf deutlich unter 15 Prozent.
Sollte ein Unternehmen in diversen EU-Ländern, auch in Deutschland, so viel Geld verdienen dürfen, und dem Gemeinwesen dann so wenig zurückgeben müssen?
Das Unternehmen nutzt unsere Infrastruktur und hat in Europa Tausende Angestellte, die an teils öffentlich finanzierten Unis ausgebildet wurden. Und es freut sich sicherlich über belebte, sichere Innenstädte, in denen der Deutsche gerne und häufig shoppen geht.
Also, alle regen sich über Ungerechtigkeit, Ungleichheit, unmoralisches Verhalten, die Schere zwischen Arm und Reich, die Reichen, die Apples, dieser Welt auf, anstatt konkret zu überlegen: Was muss ich denn ändern?
Das ist: Wir haben sie gefragt, ob eine Art globales Steuersystem in solchen Fällen helfen könnte. Also, sie müssten im Grunde genommen alle an einen Tisch kriegen. Und da würde ich jetzt fast mal wetten, dass das . . . kaum funktionieren wird, weil eben diese jeweiligen landeseigenen Interessen da im Vordergrund stehen.
Länder haben nämlich ein Interesse daran, große internationale Konzerne zu beheimaten. Das erschwert es den Behörden allerdings, gegen Schlupflöcher und Steuertricks vorzugehen.
Laut der Hilfs- und Entwicklungsorganisation Oxfam sind die Niederlande ihr Land, Luxemburg und Malta: die Steueroasen Europas. Mittlerweile gibt es immerhin verschiedene EU-Richtlinien, die Steuertricks, wie die von Nike, künftig verhindern sollen.
Sogenannte "hybride Gestaltungen", die Unterschiede zwischen EU und EU-Ausland ausnutzen, sind künftig nicht mehr erlaubt. Bis Ende 2021 müssen EU-Mitglieder, darunter natürlich auch die Niederlande, diese Richtlinie umsetzen.
Auch die OECD versucht, härter gegen Steuervermeidung vorzugehen. Einige Maßnahmen haben dazu geführt, dass ferne Steueroasen, wie die Cayman Islands, die Bermudas oder Panama, weniger genutzt werden.
Im Fall Nike sind die USA der EU allerdings zuvorgekommen. 2017 gab es eine Steuerreform. Für US-Unternehmen wurde das komplizierte Gebilde aus Firmen in den Niederlanden auf einen Schlag unattraktiv. Unter anderem deshalb musste Nike 2018 2,4 Milliarden Dollar Steuern zahlen. Das entsprach einem Steuersatz von 55,3 Prozent.
2020 lag der Steuersatz für Nike allerdings wieder nur bei 12,1 Prozent. So gering war er noch nie. Das hängt auch wiederum mit der erwähnten US-Steuerreform von 2017 zusammen.
Außerdem konnte Nike durch aktienbasierte Vergütungen einiges an Steuern sparen. Das im Detail zu erklären, würde hier allerdings zu weit führen. Allein Deutschland gehen jährlich geschätzt 17 Milliarden Euro durch Steueroasen und Steuertricks verloren. Das entspricht ungefähr den Ausgaben für das Bildungssystem.
Die Coronapandemie kostet Deutschland Hunderte Milliarden Euro. Es gibt deutlich mehr Arbeitslose, Millionen von Menschen beziehen Kurzarbeitergeld. Die Armut in Deutschland ist seit der Wiedervereinigung auf einem historischen Höchststand.
Der Sozialstaat muss diese Menschen auffangen und unterstützen. All das kreiert hohe Kosten, die zumindest in Teilen über Steuergelder gedeckt werden müssen. Momentan ist es also besonders bitter, wenn Konzerne, die vom Wirtschaftsstandort Deutschland extrem profitieren, ihren Beitrag nicht zahlen.
Chapeau an großartige Investigativrecherchen wie die der Süddeutschen Zeitung und ihren Partnern. Sie kreieren den notwendigen Druck und die Aufmerksamkeit, um gegen die Steuermachenschaften einiger Weltkonzerne vorzugehen. Neben Nike nutzen zum Beispiel auch Apple, Amazon und Facebook seit Jahren jedes mögliche Schlupfloch.
Egal ob Steueroasen, intransparente Konstrukte oder etliche Briefkastenfirmen, sie haben das nötige Geld und die Marktmacht, um jede legale Möglichkeit in Betracht zu ziehen, jede Grauzone auszuschöpfen.
Das wirkt auf einige vielleicht smart und raffiniert. Und so lange es erlaubt ist, tja, dann darf man sich als Unternehmen halt im wahrsten Sinne des Wortes asozial verhalten. Langsame Behörden haben es schwer, großen Konzernen auf die Spur zu kommen.
Länder konkurrieren um große Unternehmen und geben ihnen oft sogar Sonderbehandlungen. Es gibt zu viele Interessenkonflikte, und es mangelt an Koordinierung und Transparenz. Darunter leidet am Ende die breite Gesellschaft.
Ihr bleibt Geld versagt, mit dem man etwa bessere Bildungsmöglichkeiten schaffen könnte. Das wiederum könnte für viele bessere Ausgangsbedingungen schaffen und am Ende auch flächendeckenden Wohlstand stärken. Na ja, könnte, wenn die Steuern denn gezahlt werden würden.
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