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10 JAHRE AFD: Die Gründer packen aus I Spurensuche I frontal

Die AfD wird 10.

Passend zum runden Geburtstag konfrontieren wir die Parteichefin Alice Weidel mit einer brisanten E-Mail aus der Vergangenheit,

die sie einem damaligen Bekannten geschrieben haben soll - er liest die Nachricht vor:

"Diese Schweine sind nichts anderes als Marionetten und haben die Aufgabe, das deutsche Volk kleinzuhalten."

"Haben Sie das geschrieben, 2013?"

"Ich weiß jetzt ehrlich gesagt nicht, was das soll."

Die Stimmung kippt: "Das finde ich wirklich ein starkes Stück."

Es geht um eine Parteivorsitzende, die aus der Haut fährt und die Frage, wie radikal Weidel war damals im Gründungsmonat ihrer Partei.

Eine Spurensuche zu zehn Jahren AfD.

"Kopftuchmädchen und alimentierte Messermänner und sonstige Taugenichtse."

Von rassistischen Entgleisungen, über NPD-Parolen.

"Heute sind wir tolerant und morgen fremd im eigenen Land!"

Bis hin zur Verachtung unserer Demokratie von Rechtsextremisten:

"Der Verwesungsgeruch einer absterbenden Demokratie wabert durch's Land!"

Wie hat sich die Partei seit der Gründung entwickelt?

Erfolge, Radikalisierung, Häutungen und das Spiel mit der Angst.

frontal: 10 Jahre AfD, Hauptsache dagegen.

Bevor wir Parteichefin Weidel mit der Vergangenheit konfrontieren, beginnt die Spurensuche zur AfD-Geschichte zunächst hier:

Oberursel Taunus: Am 6. Februar 2013 kommen 18 Männer in einem Kirchengemeindesaal zusammen.

Es geht um die Geburt einer neuen Partei.

"Also hier ist die Wiege der AfD, an diesen Tischen."

Markus Keller war als Gründer dabei: "Lucke saß hier, Adam, Konrad Adam.

Hier saß ich. Es ging um die Vertragsbrüche.
Das halt jedes Land in den Euro kam.
Das war das, was uns damals umgetrieben hat."

"Durch die schrankenlose Öffnung, die Frau Merkel ihrer Partei verpasst hatte, dadurch ist die rechte Seite frei, beziehungsweise themenlos geworden.
Und dieses Thema haben wir besetzt."

Es gibt nur ein Foto von der Parteigründung, aber zwei konkurrierende Namen: Zunächst heißt sie: Alternative für Deutschland und Europa—ADE.

- weil manche fürchten, sonst zu nationalistisch zu klingen, andere wenden das schließlich ab - "für Europa" wird später gestrichen - die Weichen sind gestellt.

"Natürlich war von Anfang an die Diskrepanz zwischen Nur-Euro-Bearbeitung und die viel breitere Aufstellung."

Die Partei hat in den ersten Monaten regen Zulauf, wächst rasch in die Tausende.

Star ist Bernd Lucke, provisorische Parteizentrale, erstmal die damalige Firma von Schatzmeister und AfD-Gründer Norbert Stenzel.

"Die Mitgliedsanträge sind über diesen Schreibtisch gelaufen, die anfänglichen.
Das waren ja damals unglaubliche Mengen.

Das konnte nicht kontrolliert werden und es kam auch so, dass durchaus auch Leute hinzukamen, von denen man merkte, dass sie besonders weit rechts stehen."

Noch eine Minderheit.
2014: Erfolge bei den Europa- und Landtagswahlen im Osten, der innerhalb der Partei an Einfluss gewinnt.

Das Angst-Thema "Euro-Zusammenbruch" wird abgelöst vom neuen Angst-Thema "Migration", der sogenannten Überfremdung.

2015 verliert Lucke unter demütigenden Buh-Rufen: den Machtkampf gegen Petry, die die Partei breiter aufstellen will.

Und Alice Weidel wird erstmals in den Parteivorstand gewählt.
Sie wird bleiben.
Viele gemäßigtere Mitglieder und Gründer gehen nach und nach.

"Zehn Jahre AfD sind natürlich auch zehn Jahre an Häutung.

Aber insgesamt ist die AfD in kürzester Zeit extrem erfolgreich geworden.

Und ich weiß nicht...
also von den Gründungsvätern und -müttern, da sind bestimmte persönliche Motive auch mit drin gewesen.
Aber da steckt man nicht so tief drin."

Kellers persönliche Austritts-Motive hängen auch mit seiner Familiengeschichte zusammen - und seinem jüdischen Großvater Alfred.

"Deportiert worden ist er 1943 nach Auschwitz und ist aber auch schon gleich 1943 im August gestorben, also ermordet worden."

Hetze gegen Minderheiten stößt Markus Keller ab.
Dann stößt er auf Videos von Björn Höcke:

"Das war für mich so ein Duktus á la Goebbels, also dieses am Pult stehen und dann dementsprechend auch einige Sätze, die mich fürchterlich gestört haben.
Da war ich richtig angewidert."

2016 verlässt er die Partei, Höcke aber bleibt.

Parteifunktionäre beginnen, die Axt anzulegen an die deutsche Erinnerungspolitik:

"Wir Deutschen sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt pflanzt."

"Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahre erfolgreicher deutscher Geschichte."

"Wir brauchen nichts anderes als eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad."

Petry will Höcke rauswerfen, nun doch rote Linien, aber verliert letztendlich den Machtkampf und wirft hin.

Am Tag nach dem Einzug der AfD in den Bundestag 2017: "Wir werden sie jagen."

Wo die AfD seitdem den politischen Schlagabtausch belebt und vergiftet:
"Kopftuchmädchen und alimentierte Messermänner und sonstige Taugenichtse."

Die neue mächtige Frau: Fraktionschefin Weidel.
Mit der Pandemie verschärft sich der Ton weiter, von einer Corona-Diktatur ist die Rede.

Meuthen stellt sich gegen den rechtsextremen Flügel, den er einst hofiert hatte, verliert und verlässt die AfD.
"Sie hat sich zweifellos radikalisiert.

Mir fällt dazu ein antikes Sprichwort ein, das lautet: Beim Umsturz kommt immer der größte Lump an die Spitze."

Auch Adam ist mittlerweile weg, Anfang 2021.
Es bleiben die, die sich arrangieren, verbünden, rote Linien zu Rechtsextremen verwischen.

Alice Weidel hat alle Häutungen überdauert, seit bald acht Jahren im Parteivorstand, nun mit Tino Chrupalla zusammen sogar Chefin.
Und sie will mehr.

"In den ostdeutschen Bundesländern, wo wir jetzt schon stärkste Kraft sind
- das muss man sich mal vorstellen, nach zehn Jahren - sind wir bereits die stärkste Kraft in Ostdeutschland.

Dass wir dort auch durchstoßen mit einer realistischen Regierungsperspektive."

Die AfD im Umfragehoch zum zehnten Jubiläum - und doch weit weg davon mitzuregieren.

Isoliert, vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall beobachtet und seit dem russischen Angriff auf die Ukraine teils engagiert, Putin zu verteidigen.

Russland wehre sich, der liberale Westen, die Amerikaner dagegen zum Gegner erklärt.

"Unsere Feinde sitzen nicht in Moskau, unsere Feinde sitzen in Washington und in Berlin.

Und die Bezeichnung "Transatlantiker" ist mittlerweile nichts anderes mehr als ein weiterer Begriff für Vaterlandsverräter!"

"Dieses Regenbogenimperium mit dem USA als Kernland und der Bundesrepublik Deutschland als wichtigstem Brückenkopf in Europa,
ist es, dass die Zerstörung der Nation durch Masseneinwanderung forciert."

Der neue Sound auf den Marktplätzen: Anti-Amerikanismus, Putin-Nähe gepaart mit Anti-Eliten-Verschwörungsdenken.

Und dann das: Eine ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete und Partei-Richterin wird verhaftet - Ende 2022,
weil sie mutmaßlich nach einem geplanten Reichsbürger-Umsturz Justizministerin werden sollte.

Reichsbürger-Szene und AfD: Die Extremismus-Expertin Julia Ebner forscht seit Jahren über beide - und erkennt überlappende Verschwörungserzählungen:

"Dass da die globalen Eliten, die transatlantischen Eliten die Fäden ziehen und Deutschland in Wirklichkeit nur ein Marionetten-Staat ist.

All das ähnelt sehr stark dem was wir in der Reichsbürger-Szene finden."

In der Reichsbürger-Szene und in dieser brisanten Email von 2013: Die Bundesregierung wird beschimpft.

Deutschland sei nicht souverän.
Erstmals veröffentlicht in der Zeitung "Welt" 2017.

Verfasserin soll Alice Weidel sein, die stets von sich sagt: "Ich bin eine durch und durch liberale Person, wie viele andere auch."

Die Mail ist jetzt zehn Jahre alt, wie die AfD und spricht eine ganz andere, eine Reichsbürger-Sprache.

Weidel ist in der Partei mittlerweile ganz oben angekommen.
Die Mail hat also neue Relevanz: Ist sie echt?

Frontal trifft Weidels ehemaligen Bekannten, der die Mail von ihr 2013 bekommen haben will und aus Angst vor AfD-Anhängern unerkannt bleiben möchte.

Erstmals spricht er vor einer Fernsehkamera.
"Ich betrachte es quasi als meine Bürgerpflicht, meinen eigenen möglichen kleinen Beitrag zu leisten.

Die Machenschaften und die Eigenschaften des Führungspersonals der AfD aufzudecken."

Wir konfrontieren Weidel mit der konkreten E-Mail.
Ihr damaliger Bekannter liest vor.

"Diese Schweine, sind nichts anderes als Marionetten der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs und haben die Aufgabe,
das deutsche Volk klein zu halten, indem molekulare Bürgerkriege in den Ballungszentren durch Überfremdung induziert werden sollen."

"Haben Sie das geschrieben, 2013?"
-"Ich weiß jetzt ehrlich gesagt nicht, was das soll."

"Schweine, Marionetten der Siegermächte: Das ist ja Reichsbürger-Sprech...
Ist das von Ihnen?"

"Das ist überhaupt gar kein Reichsbürger-Sprech.
Nein, ich weise das ganz von mir."

"Ich habe eine eidesstattliche Versicherung abgegeben, dass ich diese Mail erhalten habe.

Und Frau Weidel möge doch bitte eine eidesstattliche Versicherung abgeben, dass sie diese Mail nicht geschrieben hat."

"Ich habe die eidesstattliche Versicherung hier von ihm.
Wollen Sie auch eine unterschreiben? Ich hätte nen Zettel dabei."

"Ich habe zu diesem Thema ehrlich gesagt nichts weiter zu sagen."

"Also haben Sie diese Mail geschrieben? Ja oder nein?"

"Ich sage dazu nichts weiter. In Kontext mit Reichsbürgern...
mich dort rein zu rühren, das finde ich wirklich...

" Das Vokabular in dieser E-Mail ist Reichsbürger-Sprech.
Die Frage ist, ob Sie die geschrieben haben.
Das ist die Frage."

"Ich habe ihnen gesagt, ich werde mich zu diesem Thema überhaupt nicht weiter."

"Und dann halten wir fest: Er hat eine eidesstattliche Versicherungen abgegeben.

Sie wollen es nicht. Dann beenden wir das hier." -"Das ist doch wunderbar."

Eine falsche eidesstattliche Versicherung kann mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe für bis zu drei Jahren bestraft werden.

"Die Tatsache, dass Frau Weidel sich geweigert hat, eine eidesstattliche Erklärung abzugeben,
dass sie die Mail nicht geschrieben hat, ist ja eigentlich auch eine Antwort.

Und es ist eine sehr besorgniserregende Antwort, vor allem angesichts der Inhalte, die sehr stark an die Reichsbürger- Szene erinnern.

Das ist umso besorgniserregender, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass sie an der Parteispitze ist."

Von den Parteigründer damals, den 18, sind zwei verstorben.
Nur noch drei sind überhaupt Mitglied.
Nur einer sitzt im Bundestag.

Er verteidigt seine Partei: "Ich erkenne in der Alternative für Deutschland genau die gleiche Positionierung wie von Anfang an.

Ich sehe keine Entwicklung in Schlechteres, in Übleres, in Böseres."

Die anderen Gründer sind alle ausgetreten.

Der zehnte Geburtstag für viele kein Grund zum Feiern - im Gegenteil.

"Unsere Idee ist halt komplett den Bach runter gegangen, die wir hatten.
Heute würde ich sie nicht mehr gründen."

"Ich würde sie in dieser Form wahrscheinlich nicht wieder gründen."

"Keinesfalls.
Das Baby AfD, das wir damals gegründet haben, ist leider missraten."

"Inwiefern?"
"Indem eben nicht dort die Alternative für die CDU da herausgekommen ist, sondern eine Nachfolgepartei von NPD und Republikanern.

Und leider auch noch durchaus eine Nähe zu den Reichsbürgern zu verzeichnen ist.

Sie gefährdet sogar die Demokratie und das ist an sich das Bedauerliche."

Die AfD hat ihr Ur-Versprechen von 2013 gehalten, eine Alternative zu sein.

Für manche ihrer Gründer ist sie heute eine Alternative zur liberalen Demokratie.

Wie seht ihr die Entwicklung der AfD?
Schreibt es uns in die Kommentare.

Und wenn ihr wissen wollt, wie die AfD verdeckte Wahlkampfhilfe aus der Schweiz bekommen hat, klickt links.